Richterlicher Eid

[909] Richterlicher Eid heißt der Eid, den das Gericht auferlegt, ohne daß eine Eideszuschiebung vorhergegangen ist. Er bildet den Gegensatz zum zugeschobenen Eid (Haupteid, Schiedseid); früher wurde er auch notwendiger Eid, und wenn er dem Beklagten auferlegt wurde, Reinigungseid genannt (s. Eid). Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 475) kann das Gericht nach seinem Ermessen der einen oder der andern Partei über eine streitige Tatsache einen Eid auferlegen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und eine etwaige Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Tatsache zu begründen. Die österreichische Zivilprozeßordnung kennt der Form nach einen richterlichen Eid nicht; der Eid, der bei der Vernehmung der Parteien als Zeugen von der vernommenen Partei verlangt werden kann, ist aber der Sache nach ein solcher Eid (vgl. Eid, S. 433).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 909.
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