Sein [1]

[306] Sein (Dasein, Existenz), die Bestimmung, durch die sich das Wirkliche von dem bloß Möglichen oder Gedachten unterscheidet. Das Mittelalter stellte das S. mit den Beschaffenheiten eines Dinges in eine Linie und glaubte daher aus der Definition eines Begriffs auch das S. oder Nichtsein seines Gegenstandes beweisen zu können. Seit aber Kant durch sein berühmtes Exempel gezeigt hat, daß durch das S. zum Wesen des Dinges nichts hinzugefügt wird (»hundert wirkliche Taler sind nicht mehr und nicht weniger als hundert mögliche Taler«), ist man allgemein über die alogische (nicht begrifflich auszudrückende) Natur des Seins, das nur wahrgenommen oder gefühlt, aber nicht in Gedanken nachgemacht werden kann, einig. Wird mit dem Begriffe des Seins derjenige des unveränderlichen Beharrens verbunden, so tritt er in Gegensatz zu dem des Werdens oder Geschehens; von den Eleaten und von Platon wurde deswegen alles Veränderliche als ein »Nichtseiendes«, als Schein (s. d.) betrachtet, während die neuere Metaphysik das Werden mit dem S. zu vereinigen gesucht hat.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 306.
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