Serumdiagnostik

[375] Serumdiagnostik. Bei der Infektion eines Organismus mit krankheiterregenden Bakterien werden von ihm verschiedenartige Schutzstoffe gebildet, die gerade gegen die jeweilig infizierende Bakterienart wirksam sind (s. Immunität). Feststellung solcher spezifisch abgestimmter Schutzstoffe im Blutserum eines erkrankten Individuums kann daher zur Erkennung einer vielleicht anderweitig noch nicht erkennbaren Krankheit dienen. Von den genannten Stoffen sind für die S. bedeutungsvoll die Agglutinine, die eine Verklebung, Agglutination, der einzelnen in einer frisch gezüchteten Bouillonkultur lebenden Bakterien herbeiführen. So werden von dem Serum Typhuskranker schon im Beginn der Krankheit, wenn sie oft noch schwer erkennbar ist, die frei beweglichen Bazillen einer Typhusbouillonkultur schon bei äußerst geringem Zusatz in kurzer Zeit zu flockigem Zusammenkleben gebracht, die Flocken setzen sich im Glas zu Boden, die überstehende Flüssigkeit wird klar. Da diese Gruber-Vidalsche Reaktion nur mit echten Typhuskulturen und nur, wenigstens bei größerer Verdünnung, durch das Blut Typhuskranker zustande kommt, so ist sie für die Diagnose sehr wertvoll. Eine ähnliche Reaktion zwischen Blutserum von Tuberkulösen und Kulturen von Tuberkelbazillen hat zurzeit noch keine praktische Verwertbarkeit erreicht, ebensowenig ist die Beobachtung, daß der infizierte Körper Bakteriolysine, d. h. die gleiche Bakterienart rasch auflösende Stoffe, bildet, bisher am Krankenbett brauchbar geworden, dagegen kann durch die Bakteriolysine die Erkennung bestimmter Bakterien erleichtert werden. – Die Veterinärmedizin bedient sich der S. zur Feststellung des Rotzes und der Tuberkulose. Rotzkranke Pferde reagieren auf Injektion von Malleïn, einer Abkochung von Rotzbazillenkulturen mit einer Steigerung der Körpertemperatur um 1–2°, gesunde dagegen nicht. Ebenso agglutiniert das Serum rotzkranker Pferde die Rotzbazillen. Sowohl die Malleinreaktion als die Agglutination werden benutzt, erstere namentlich in Frankreich, Österreich-Ungarn und Rußland, letztere in Deutschland; ganz zuverlässig ist keine. Von größerer Bedeutung ist die Tuberkulinprobe bei Rindern, die bei Ankauf von Zuchtrindern, bei der Einfuhr von Schlachtvieh und zur Prüfung des Gesundheitszustandes eines Viehbestandes allgemein angewendet wird, um das Vorhandensein der unter den Rindern sehr verbreiteten Tuberkulose zu ermitteln, die sich oft jahrelang durch kein Krankheitsmerkmal verrät. Tuberkulöse Rinder reagieren auf eine Einspritzung von Tuberculmum Kochii mit einer Temperatursteigerung von mindestens 1°. Frei von Fehlschlägen und Verschleierungen des Ergebnisses ist auch diese Methode nicht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 375.
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