Servēt

[377] Servēt, Michael (eigentlich Miguel Serveto), gelehrter Arzt und Antitrinitarier, geb. wahrscheinlich 29. Sept. 1511 zu Tudela in Navarra, gest. 27. Okt. 1553 in Genf, studierte in Toulouse die Rechte, kam im Gefolge Karls V., dessen Kaiserkrönung er beiwohnte, nach Deutschland und stand hier in Diensten des kaiserlichen Beichtvaters Quintana. 1530 wandte er sich nach Straßburg, wo ihm Capito und Butzer bekannt wurden, und veröffentlichte in Hagenau sein Werk »De trinitatis erroribus« (1531) und begründete die darin entwickelten antitrinitarischen Gedanken in den am gleichen Ort erschienenen »Dialogi de trinitate« (1532). Nach Frankreich zurückgekehrt, lebte er meist in Paris oder Lyon, studierte Astrologie, Mathematik und Medizin und erwarb sich durch seine Herausgabe des Ptolemäos einen ebenso geachteten Namen als Geograph, wie er als Arzt und Physiolog sich namentlich durch seine bahnbrechenden Ausführungen über den Blutumlauf hervortat. Seit 1540 zu Vienne lebend, geriet er durch seine im Januar 1553 in Lyon herausgegebene Schrift »Christianismi restitutio«, in die seine frühern antitrinitarischen Schriften, neu[377] bearbeitet, aufgenommen wurden, mit der katholischen und protestantischen Theologie in Zwiespalt. Zwar entkam er aus dem Gefängnis in Lyon im April 1553, ward aber in Genf auf Calvins Anzeige abermals festgenommen, vergebens zum Widerruf ermahnt und, nachdem sich die vier evangelischen Ministerien von Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen gutachtlich gegen ihn ausgesprochen hatten, 26. Okt. 1553 vom Rat zu Genf, besonders auf Calvins (s. d.) Andringen, zum Tode und zwar, gegen Calvins und der übrigen Prediger Wunsch, zum Feuertod verurteilt, den er, standhaft bei seiner Lehre beharrend, erlitt. 1903 wurde ihm in Genf ein Sühnedenkmal errichtet. Die »Christianismi restitutio« ist bis auf drei Exemplare in Paris, Wien und Edinburg verschollen. Einen Neudruck veröffentlichte Murr (Nürnb. 1791), eine deutsche Übersetzung Spieß u. d. T.: »Wiederherstellung des Christentums« (Wiesbad. 1892–95, 2 Bde.; ein 3. Bd., das. 1896, enthält einige lateinische Texte). Vgl. Rilliet, Relation du procès criminel intenté contre M. S. (Genf 1844); Brunnemann, Michel S., eine aktenmäßige Darstellung des 1553 in Genf gegen ihn geführten Kriminalprozesses (Berl. 1865); die Werke von Tollin: Das Lehrsystem Servets (Gütersloh 1876–78, 3 Bde.), Dr. Martin Luther und M. S. (Berl. 1875), Phil. Melanchthon und M. S. (das. 1876), S. und Martin Butzer (das. 1880) und zahlreiche andre Abhandlungen Tollins über S.; Willis, Servetus and Calvin (Lond. 1877); Amallo y Mangat, Historia critica de Miguel de S. (Madr. 1888); A. v. d. Linde, Michael S. (Groningen 1890); Geymonat, M. S. et ses idées religieuses (Genf 1892); Choisy, La théocratie à Genève au temps de Calvin (das. 1897); Köhler, Reformation und Ketzerprozeß (Tübing. 1901); Besson, Michel S. (Genf 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 377-378.
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