Sternwarte

[6] Sternwarte (Observatorium; hierzu die Tafeln »Sternwarten I-III« mit Textblatt), ein zur Anstellung astronomischer Beobachtungen und Messungen bestimmtes Institut. Während man früher die Sternwarten des freiern Umblicks wegen gern auf Türmen einrichtete, hat man dies seit dem 18. Jahrhundert aufgegeben, da so hohe Gebäude einen für Erschütterungen sehr empfindlichen und infolge der ungleichen Erwärmung durch die Sonne sehr schwankenden Standort gewähren, weshalb sich auf ihnen[6] genaue, der gegenwärtigen Vollendung der Instrumente und der Ausbildung der Beobachtungskunst entsprechende Beobachtungen gar nicht ausführen lassen. Man baut daher die Sternwarten heutzutage niedrig und stellt die größern Instrumente auf steinerne, gut fundamentierte Pfeiler, die mit den übrigen Fundamenten außer Zusammenhang stehen. Im Meridian, auch im ersten Vertikal, müssen Einschnitte für das Passageinstrument vorhanden sein. Für die Äquatoriale, Heliometer und Altazimute baut man Türme mit drehbarem, mit Ausschnitten versehenem Kuppeldach, die Beobachtungen nach den verschiedensten Richtungen gestatten; auch sorgt man für eine Terrasse od. dgl. zur Ausstellung von Kometensuchern und zu Beobachtungen im Freien. Die ganzen Baulichkeiten, mit den Wohnräumen für das Personal, sollen an einem ruhigen, nicht zu nahe an belebten Straßen gelegenen Platze, nicht im Innern größerer Städte, gelegen sein; die vollständig freie Umsicht am Horizont ist nicht unbedingt erforderlich, wenn nur in größerer Höhe der Himmel frei ist, denn Beobachtungen dicht am Horizont sind wenig zuverlässig. Die Ausstattung der Sternwarten ist verschieden, je nachdem sich dieselben ausschließlich mit astronomischen Messungen, Ortsbestimmungen, astrometrischen Beobachtungen (vgl. Astronomie, S. 6) befassen oder auch astrophysikalische Beobachtungen und Untersuchungen ausführen. Die ältern Sternwarten widmeten sich fast ausschließlich der Astrometrie; nachdem dann in dem letzten Drittel des 19. Jahrh. die Astrophysik ihren großartigen Aufschwung nahm, entstanden besondere astrophysikalische Observatorien. In neuerer Zeit ist diese Trennung jedoch verschwunden, und die modernen Observatorien widmen sich zugleich beiden astronomischen Disziplinen. Zur astrometrischen Ausstattung einer S. gehören: Meridiankreis, Passageninstrument, Vertikalkreis, Äquatorial, Altazimut, Heliometer, kleinere Fernrohre, Präzisionspendeluhren, Chronographen, meteorologische Instrumente; zur astrophysikalischen: photographische Refraktoren und Spiegelteleskope, Spektralapparate, Photometer, photographische Meßapparate, physikalische und chemische Laboratorien (vgl. Artikel »Astronomische Instrumente« u. Tafel »Astrophysikalische Instrumente« beim Art. »Astrophysik«). Als Beispiel von Sternwarten, die den Anforderungen der Neuzeit entsprechen, sind auf bei folgenden Tafeln die Sternwarten zu Straßburg, Potsdam, Nizza und auf dem Mount Hamilton in Kalifornien dargestellt; die Beschreibung derselben siehe auf der Textbeilage zu diesen Tafeln, wo sich auch eine Übersicht der bedeutendsten Sternwarten befindet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 6-7.
Lizenz:
Faksimiles:
6 | 7
Kategorien: