Nachträge und Ergänzungen.

[466] (Zu Seite 46: Bericht August Lesimples über seinen Besuch bei Wagner im August 1854.) ›Mein erstes Zusammentreffen mit Richard Wagner datiert aus dem August des Jahres 1854 und fand in Zürich statt. Mit einem Empfehlungsschreiben aus Weimar versehen, war im versichert, Zutritt bei ihm zu erlangen. Seine Frau Minna empfing mich statt seiner, und teilte mir auf meinem Morgenbesuch nach freundlicher Begrüßung mit, daß ihr Gatte während der Vormittagsstunden stets arbeite, nachmittags werde mein Besuch ihm aber willkommen sein. Im bewahre von ihr den Eindruck eines wohlwollenden, einnehmenden Wesens. Den Zügen konnte man die gerühmte Schönheit nicht mehr ablesen; Leid und Kummer hatten diesem Gesicht ihren Stempel aufgedrückt. Die Zeit verging mir sehr langsam, bis die Stunde kam, in der ich den hochbedeutenden Mann kennen lernen sollte. Als ich mich nachmittags bei ihm anmeldete, wurde ich in sein Arbeitszimmer geführt. Die Wohnung war geschmackvoll, doch nicht luxuriös eingerichtet, alle Zimmer durch schwere Vorhänge verbunden. Richard Wagner, dem der Brief aus Weimar wohl angenehme Erinnerungen geweckt haben mochte, erschien bald und hieß mich freundlichst willkommen. Auf das Passendste glaubte ich mich dadurch bei ihm einzuführen, daß ich ihm von der erfolgreichen Aufführung seines »Tannhäuser« in Cöln erzählte. Er schien aber große Zweifel in meine optimistischen Mitteilungen zu setzen, glaubte an keinen rechten Eindruck seines Werkes und schrieb den Beifall dem, wie er meinte, wahrscheinlich sehr tüchtigen Tenoristen zu. Ich verhehlte ihm nicht, wie in Cöln – was er auch schon wußte – eine scharfe Opposition in den leitenden musikalischen Kreisen‹ (Ferdinand Hiller nebst Anhang), sich geltend machte, die das Publikum nicht zur Besinnung kommen lasse. Die Namen waren ihm wohlbekannt. Wagner erging sich dann ausführlich über die Mangelhaftigkeit der Opernaufführungen, und wie nur selten ein Werk den Intentionen seines Schöpfers gemäß wiedergegeben würde. In Dresden, als Kapellmeister, habe er einen steten Kampf führen müssen. Es sei ihm indes gelungen, nach Schwierigkeiten aller Art, von Glucks ›Iphigenie in Aulis‹ eine Mustervorstellung zustande zu bringen und die Wirkung sei eine herrliche und nachhaltige gewesen. Mit Bezug auf die Skizzen zur ›Walküre‹,1 die auf dem Klavier vor uns lagen, erzählte mir dann Wagner von seinen Plänen für die Zukunft, wie er dahin strebe, die ›Nibelungen‹ im Laufe von einigen Jahren fertig zu stellen und dann in einer, abseits vom großen Gebiete gelegenen Stadt zur Aufführung zu bringen, und zwar nur vor einem Kreise Geladener, von denen er wisse, daß sie sein Werk mit Liebe und Hingebung erfassen würden. Einmal wäre ihm genug, denn er wolle nur zeigen, was ihm im Geiste als nationales Kunstwerk vorgeschwebt. ›Mögen meinetwegen‹, fügte er bei, ›Haus und Werk zugrunde gehen; meinen Zweck, die Aufgabe meines Lebens, [467] habe ich dann erreicht.‹ Mit Rührung sagte er mir, daß er alles, was er erreicht, seinem Freunde Franz Liszt zu verdanken habe. Ohne ihn wäre er wohl ganz verschollen. – Aus dieser denkwürdigen Unterredung schied ich voller Begeisterung für den Mann, welcher der deutschen Kunst so schöne Ziele zu bereiten suchte. Die Mitteilung machte ich noch, daß wir in Cöln demnächst dem ›Lohengrin‹ entgegensähen, worüber ich ihm berichten würde. Mit herzlichem Händedruck nahm er Abschied von mir. Ich fühlte mich aufs mächtigste von ihm angezogen und blieb fortan sein treuer Kämpe. Meine nächste Aufgabe war, in meiner Heimat für seine Ideen energisch zu wirken. Jahre vergingen, bis ich mit ihm wieder zusammentraf. (›Richard Wagner.‹ Erinnerungen von Lesimple. Dresden und Leipzig 1884. S. 9–14.)


(Zu Seite 50 Anm.: Unter den Schriften jüngeren Datums, die sich in eingehender Darlegung mit dem Verhältnis des Künstlers zu seinem großen philosophischen Lehrer und Meister Schopenhauer beschäftigen, sei an dieser Stelle noch das mittlerweile – während des Druckes – erschienene lichtvolle Werkchen von Dr. Rudolf Louis ›Die Weltanschauung Richard Wagners‹ (Leipzig, Breitkopf & Härtel 1898) mit gebührender Hervorhebung genannt.


(Zu Seite 51 Anm.: Auch diese oder jene scherzhafte Komposition, wie der ›Züricher Vielliebchen-Walzer‹, legt von dem ungezwungenen Verkehr des Meisters mit dem befreundeten Hause Zeugnis ab.) Es ist dies ein Walzer in Es dur (32 Takte), der jüngeren Schwester der Frau Wesendonck gewidmet, die sich zeitweilig im Wesendonckschen Hause aufhielt, und trägt an der Spitze die nachstehende humoristische Dedikation: ›Züricher Vielliebchen-Walzer, oder Polka, oder was sonst. Der vortrefflich erzogenen und in Dünkirchen vorzüglich geratenen Marie aus Düsseldorf gewidmet vom besten Tänzer aus Sachsen, genannt Richard, der Walzermacher. Schließlich gibt der Komponist die heilige Versicherung, daß er schöneres Papier genommen haben würde, wenn ihm solches zur Hand gewesen wäre; er bittet daher seine Patronin, Gott nachzuahmen, welcher bekanntest auf den Walzer und nicht auf das Papier sieht. Ganz schließlich ersucht der Komponist außerdem, beim Vortrag seines Werkes alles, was zu schwer sein sollte, auszulassen, überhaupt möchte er allerschließlichst noch um Nachsicht wegen etwaiger Fehler gegen den Contrapunkt gebeten haben.‹ (Mitgeteilt durch W. Tappert, H. Teibiers ›Neue musikalische Rundschau 1896‹ S. 83.)


(Zu Seite 62: Durch manche dem Meister erwiesene gelegentliche Hilfleistung oder Gefälligkeit würde die bescheidene Existenz seines Londoner Gastfreundes – Ferdinand Präger – im besten Sinne im Gedächtnis der Nachwelt fortleben, hätten nicht greisenhafte Altersschwäche und offenbare geistige Erkrankung ihn vierzig Jahre später zu dem leichtfertigen Versuche fortgerissen, seine ›Freundschafts‹-Beziehungen zu Wagner in so wahrheitswidrig ungeheuerlicher Weise aufzubauschen, als es in seinem berüchtigten (nunmehr von der Verlagshandlung zurückgezogenen) Buche dem Anschein nach eigenhändig (?) geschehen ist. Den ersten Hinweis auf das Prägersche Buch finden wir i. J. 1884 in einer Notiz, welche damals durch die deutschen Musikzeitungen ging: ›Dr.‹ (?!) ›Ferdinand Prager (sic!) in London wird demnächst seine Rückerinnerungen an Richard Wagner, mit dem er 40 Jahre hin durch‹ (?! 1855–1883!) ›enge Freundschaft unterhielt, herausgeben‹ (Allg. Mus. Zeitung v. 14. Nov. 1884, S. 405.) Schon in dieser vorläufigen Reklamenotiz also handelt es sich um eine vierzig jährige Bekanntschaft, im Widerspruch zu der handgreiflichen Wirklichkeit, wonach Prägers früheste Beziehungen zu dem Meister erst vom März 1855 herrühren. Die von Präger unterzeichnete Vorrede seines Buches ist vom 15. Januar 1885 datiert (in der deutschen Ausgabe, in der englischen steht das spätere Datum: 15. Juni 1885) erschienen ist es aber erst sieben Jahre später, d.h. fast ein volles Jahr nach dem Tode [468] des Verfassers († 2. Sept. 1892). Diese Daten sind deshalb von Wichtigkeit, weil sie einen Anhaltspunkt zur Erwägung der noch unentschiedenen Frage darbieten, ob die nachweislichen Fälschungen, erfundenen Briefe und Angaben, die zum Teil wirklich erst aus später erschienenen Publikationen zusammengebraut sind (1887: Beusts Memoiren, und die Briefe an Frau Wille), wirklich von dem Titularverfasser, Ferdinand Präger, herrühren, oder als nachträgliche Interpolationen von fremder Hand in das, allerdings schon von Hause aus leichtfertig abgefaßte Buch hineingetragen wurden. Die gründlichste, gewissenhafteste Kritik ist demselben durch Houston Stewart Chamberlain zuteil geworden, in seiner Broschüre: ›Echte Briefe an Ferdinand Präger, Kritik der Prägerschen Veröffentlichungen‹ (Bayreuth, Grausche Buchhandlung 1894). Sie erbringt, durch die Mitteilung einer Kollektion echter, wirklicher Briefe des Meisters an den genannten Adressaten, den unwiderleglichen Beweis dafür, auf welche unglaublich raffinierte Art und Weise diese Briefe in jenem Buche auf Schritt und Tritt entstellt und verfälscht worden sind. Sie schließt mit den Worten: ›Sehr wichtig ist es zu erfahren, daß Präger schon zwanzig Jahre vor seinem Tode fast erblindet war, und daß er frühzeitig in einen Zustand greisenhafter Schwäche und relativer Unzurechnungsfähigkeit verfiel. Er wäre schon der bloßen materiellen Arbeit des Zusammenstellens seines Buches durchaus nicht gewachsen gewesen; er mußte die Hilfe eines Freundes beanspruchen. Wir finden also als tatsächlichen Mitarbeiter des »Wagner, wie ich ihn kannte« einen Mann beteiligt, der niemals in irgendeiner Beziehung zum Meister gestanden, und dessen Name für die Anhänger der Rachetheorie2 nicht gerade vertrauenerweckend klingt. Hinter Präger steckt ein Anderer; mehr kann ich heute nicht sagen; diejenigen aber, welche Beide gekannt haben, sind geneigt, diesem »Anderen« manche raffinierte »Erfindung« zuzuschreiben, zu welcher der gutmütige, dumme Präger nur seinen Namen – und vielleicht ganz unbewußt – hat hergeben müssen. Der Besitzer der hier mitgeteilten Originalbriefe ist namentlich der Ansicht, daß die apokryphen Briefe (die sämtlich erst nach 1885 entstanden sein können!) nicht von Präger selber herrühren. Vielleicht werden diese ganzen skandalösen Vorgänge später einmal aufgedeckt und gehörig beleuchtet; einstweilen ist es interessant zu wissen, daß das Buch Prägers, auf welches Hofrat Hanslick noch in der Januar-Nummer der »Deutschen Rundschau« als auf eine unbezweifelte Autorität sich beruft, nicht einmal durchweg von Präger selber geschrieben ist. Nicht einmal diese recht schwache Stütze bleibt dem elenden Machwerk!‹ (Houston S. Chamberlain, Echte Briefe an Ferd. Präger S. 114).


(Zu Seite 68: Sehr gefiel ihm aber auch ein junger Musiker Karl Klindworth, den ihm Liszt als ›Wagnerianer de la veille‹ und vorzüglichen Dirigenten und Klavierspieler aus seiner Schule empfohlen hatte). In einem ausführlichen Artikel unter der Aufschrift ›Einst und Jetzt in England3 hat erst kürzlich, nach bereits erfolgtem Abschluß des Manuskripts dieses Bandes, der nunmehr altersehrwürdige Veteran, Prof. Klindworth in Potsdam, seine persönlichen Erinnerungen an seinen damaligen Verkehr mit dem Meister und die begleitenden Umstände dieses Verkehrs, zusammengefaßt. Er erzählt darin, wie er im Frühjahr 1854, nach Beendigung seiner Weimarer Studienzeit bei Liszt, mit einem Bündel schönster Empfehlungsbriefe gemütlich hoffnungsvoll in die britische Metropole eingezogen sei, ohne den bitteren Kampf zu ahnen, der ihm in dieser fremdartigen Welt bevorstand. Die Angriffe Davisons in der ›Musical World‹ hätten nicht verfehlt ihn zu schädigen, und neben Kränkungen und Zurücksetzungen hätte sich bald auch der Mangel eingestellt. Er [469] habe sich sehr unglücklich und vereinsamt gefühlt, und sei beim herannahenden Frühjahr 1855 noch dazu heftig erkrankt. Wie er so, in teilnahmloser Verlassenheit, auf dem Krankenbette gelegen, habe sich eines Tages die Tür seines Zimmers geöffnet und herein sei – Richard Wagner getreten: ›Da liegen Sie nun, Sie Armer, und ich muß zu Ihnen kommen, anstatt daß Sie mich bewillkommnen; mir hat Liszt von Ihnen geschrieben, und da freue im mich, Sie kennen zu lernen‹. ›Dies war‹, so fährt Klindworth fort, ›die zweite entscheidende Wendung meines Lebens4; denn seit jenem Tage hat der Einfluß Richard Wagners meine geistige Entwickelung bestimmt ... Er führte mich in den sehr kleinen Kreis seiner Londoner Freunde ein. Sainton, der vorzügliche Violinspieler, und Lüders, dessen Pylades, gehörten ihm an. Wir verdanken Sainton die Berufung Wagners: durch Lüders Enthusiasmus gewonnen, bewog er Mr. Anderson (den einflußreichsten der damaligen Direktoren der Old Philharmonic Society), Wagner dem Comité vorzuschlagen; und ohne den Meister je gesehen zu haben, stellte er sich kühn als Bürge und Zeuge von Wagners eminenter Dirigenten-Fähigkeit. Sainton erzählte uns später, wie es ihm bang vor der Entdeckung seiner List war und wie er in der ersten Probe sorgenerfüllt und gespannt verfolgte, ob Wagner wirklich etwas könne5. Ferner muß ich, als dem Kreise zugehörig, Ferdinand Präger erwähnen. Sein lebhaftes, geschwätziges Temperament, seine stets dienstbereite Geschäftigkeit im Interesse des Meisters, sein gutmütiges Naturell, das sich den hänselnden Scherzen Wagners willig fügte, machten ihn diesem angenehm und dienlich.‹

›Es ist bekannt, wie eifrig eine gehässige Kritik bemüht war, London im voraus gegen Wagner einzunehmen, ja aufzuhetzen. Bald nach dessen Antritt, ward dem Meister in seinem Amt unbehaglich zu Mute. Die gewohnheitsmäßigen Proben, die überlangen Programme verhinderten eine sorgfältige Vorbereitung der Konzerte, und häufig entstanden Konflikte, wenn ihm zugemutet wurde, Sachen zu dirigieren, die ihn der Kunst unwürdig dünkten; wobei er gelegentlich einmal entdeckte, daß die Einmischung der Direktoren eine bessere Wahl betreffs einer Sängerin vereitelt hatte. Ost brauste es da in ihm auf, fort wollte er stürmen, einpacken und dem ganzen Elend den Rücken kehren. In jähem Schreck verschwand das Direktorium, Mr. Anderson war nicht zu finden, die Freunde aber traten vermittelnd und beruhigend dem aufgeregten Meister entgegen, die drohenden Wolken wurden verscheucht und der Bruch vermieden6. Mit dem Orchester stand er schnell auf dem besten Fuß; trotz wiederholten Tadels des eingerissenen Schlendrians und der charakterlosen Spielmanier, brachte der Zauber seiner mächtigen Individualität jede Opposition zum Schweigen, und die stetig wachsende Verehrung für ihn bezeugte sich in dem Bemühen, seinen Anweisungen zu folgen, seinen Wünschen zu genügen. Aber alles, was sonst der maßgebenden musikalischen Welt in London angehörte, blieb – nachdem Davison und Chorley, die gefürchteten Verurteiler, ihn in Acht und Bann erklärt – dem Meister fern. Als Ausnahme hebe ich hervor: den alten Cipriani Potter7 welcher noch Mozart persönlich gekannt, und dessen Symphonie Wagner gern aufführte und öfters lobend erwähnte; dann J. Ellerton, einen vermögenden Dilettanten, Autor von zahllosen Opern, Sinfonien, Messen, Streichquartetten8. – Um mit den Höchsten unter diesen so geringzähligen Bevorzugten zu schließen, nenne ich zwei, von welchen der Meister scherzhaft zu sagen pflegte, er brauchte sich ihrer nicht zu schämen: die Königin Großbritanniens, Viktoria, und ihr Gemahl, den edlen Prince Consort Albert. Sie ehrten sich und ihn durch den Besuch eines der Konzerte und gewährten ihm eine längere Unterredung, in welcher sie ihm ihre warme Anerkennung äußerten.‹

›Hektor Berlioz dirigierte damals nebst Dr. Wylde die Konzerte der New Philharmonic Society. Ich spielte unter seiner Leitung, zu erneutem Ärger Davisons, Henselts [470] Concerto (»das unzusammenhängendste Zeug, das wir je von diesem Komponisten gehört, es enthält nichts als Züge sinnlos zusammengeflickter Bravour«). Wagner hatte seine Beziehungen zu Berlioz freundlich wieder aufgenommen, und dies gab zu einer höchst gemütlichen Vereinigung in Wagners Hause Veranlassung. Beim Eintritt Berlioz' ließ mich der Meister das freudeglänzende Motiv aus dem Fest bei Capulet spielen, worauf er in ernster, ergreifender Rede die Bedeutung Berlioz' anerkannte und uns dann mit Scherzen der übermütigsten Laune in heiterstem Behagen bis tief in die Nacht, bei sich fesselte9. – Ich durfte Wagner häufig zu Spaziergängen abholen10, dann zum Essen bei ihm bleiben, und nach dem Essen mußte im spielen; so hatte ich einmal die Freude, ihm Liszts Sonate bekannt zu geben und den tiefen Eindruck, den sie auf ihn machte, zu erleben11. Wagner, immer tätig, instrumentierte zu jener Zeit den 2. Akt der »Walküre«. Ich erbat mir die Erlaubnis, den Anfang des Werkes mit mir zu nehmen. Bereits am nächsten Tage spielte ich ihm das über Nacht für Klavier gesetzte Arrangement der Einleitung. Es gefiel ihm so gut, daß er mir nun erlaubte, den ganzen Akt mitzunehmen. Ich machte mich wie ein Besessener daran, und bald war die Übertragung fertig und zu Papier gebracht. So ward ich der erste seiner drei »Klavierauszügler«: Bülow, Tausig und ich. Wagner freute sich, es spielen zu hören, und nach Zürich zurückgekehrt, schickte er mir die Partitur des »Rheingold«, um auch diese zu übertragen.‹

›Die gewaltige Anregung, welche London von Wagner hätte empfangen können, – sie blieb aus. Unverstand und feige Charakterlosigkeit ließen sie nicht aufkommen. Seine Leistungen fanden keine Beachtung, auf seine Wiederkehr durften wir nicht hoffen – mit tiefem Unmut verließ der Meister Englands Gestade. Die Old Philharmonic Society wählte den Mendelsohnianer Sterndal Bennett als Nachfolger, womit denn der alte Schlendergang wieder eingeführt, der Philister zufrieden war, und wobei die Presse nicht versäumte, das Geschehene zu glorifizieren und der Ausrottung des revolutionären Spiritus beizustimmen. Die Nacht talentloser Beschränktheit und häßlichen Neides senkte sich auf das musikalische London tief herab.‹


(Zu Seite 70: Michele Costa, Kapellmeister der kgl. italienischen Oper, wie der Sacred Harmonic Society, der die geistlichen Konzerte in Exeter Hallins Leben gerufen und fast alle großen Musikfeste in England dirigierte.) Klindworth charakterisiert ihn a. a. O. als die ›musikalisch unverfrorenste Persönlichkeit, welche wohl je dagewesen‹ und führt als sprechenden Beweis dafür die ›Ergänzungen‹ an, welche er den Mozartschen und Händelschen Partituren zugute kommen ließ: ›So setzte er Posaunen, große Trommel und Becken zur Ouvertüre, zum ersten Finale und zum Schlusse des »Don Giovanni«, desgleichen zum Halleluja des »Messias« und zu anderen Oratorien des genannten Meisters.‹


(Zu Seite 152: In diese Julitage 1857 fällt der ungefähr vierzehntägige Besuch seines Londoner Gastfreundes Präger). Dieser – kaum vierzehntägige Besuch ist in der, alles übertreibenden Phantasie Prägers zu einem zweimonatlichen ausgedehnt; trotzdem wären wir eher geneigt ihn zu einem bloß 6–8tägigen zu machen, so wenig stimmen seine darüber angeführten Daten mit der Wirklichkeit überein. Gleichzeitig mit Eduard Devrient (also in den ersten 3 Julitagen) kann er noch nicht in Zürich gewesen sein, wohl aber, wie es scheint, am 6. Juli, dem Tage, wo Alexander Müller mit seiner Familie dem Meister vor seiner Abreise nach Deutschland seinen, auf S. 152 dieses Bandes erwähnten, Abschiedsbesuch machte; denn Wagner erwähnt in einem späteren echten Briefe[471] an ihn12 den ›armen Müller, den Du bei mir sahest‹ als einen ihm Bekannten. Am 17. Juli aber müßte er, sofern der geringste Verlaß auf seine Angaben wäre, schon wieder fortgewesen sein, da er selbst (wenn zwar auch mit unterdrückter Jahreszahl!) einen nach seiner Abreise an ihn gerichteten Brief Wagners von diesem Datum produziert, der mit den Worten beginnt: ›Ich bin hart an der Arbeit an meinem Siegfried‹, was denn auch auf das Genaueste zu der Wirklichkeit stimmt, da schon am 30. Juli die Arbeit am 2 Akte des ›Siegfried‹ beendet war (S. 151). Es bleibt demnach für diesen ›zweimonatlichen Besuch‹ genau nur der Spielraum von höchstens zwölf Tagen übrig (vom 4 bis zum 16. Juli), in annähernder Übereinstimmung mit Wagners ausdrücklicher Erwähnung, Präger sei ›ein paar Wochen‹ bei ihm gewesen (S. 152 Anm.). Von den in diese Zeit fallenden kleinen Ereignissen im häuslichen Leben des Meisters erwähnen wir hier nur eine am Sonntag d. 12. Juli seinem Freunde Sulzer zu Ehren veranstaltete Abendgesellschaft; an dieser hat Präger keinesfalls teil genommen, da er sonst zweifellos ein Langes und Breites darüber in seiner Weise zu erzählen gehabt haben würde. Er hat offenbar weder Sulzer, noch Herwegh, Hagenbuch, Willes oder Gottfried Keller zu sehen bekommen, da er keinen von ihnen kennt oder erwähnt; er hat nur Semper kennen gelernt, und Wesendoncks gesehen, die damals noch im Einzug begriffen waren und keine Erinnerung an ihn bewahrt haben. Vermutlich ist er also an jenem Sonntag auf seiner allein unternommenen Ausfahrt nach Brunnen und auf den Rigi befindlich gewesen, von dem er dann noch auf wenige Tage nach Zürich zu Wagner zurückkehrte.

An einem schönen Morgen habe ihn Wagner beim Frühstück mit der Nachricht überrascht, daß er beabsichtige, mit ihm und Minna einen kleinen Ausflug nach Schaffhausen zu machen, um ›dem guten Präger doch etwas Entschädigung anzubieten für die Londoner Episode‹. Von diesem Ausflug weiß der also freundlich Bedachte zu allernächst nichts Wichtigeres zu berichten, als daß Wagner in der Eisenbahn ›erster Klasse‹ gefahren sei, ›was doch in der Schweiz, wo die zweite Klasse so gut ist, wirklich nicht nötig war‹; sowie, daß er auf dem Rückwege sie auf einer Station plötzlich verlassen habe, ›um nach Zürich zu telegraphieren, daß man sie mit einem Wagen von der Eisenbahnstation abholen solle‹. Die ausgelassenste Lustigkeit habe sie auf diesem Ausfluge begleitet, und in Schaffhausen seiner ein Abend geharrt, den er nie vergessen werde. Trotz der späten Stunde ihres Auseinandergehens seien sie doch am nächsten Morgen alle früh aufgewesen und in den Garten zum Frühstück gegangen. ›Auf einmal vermißten wir unsern Meister, hörten aber von weitem seine Stimme, die uns zurief. »Minna! Ferdinand!« Wir sahen uns überall um, konnten aber nirgends eine Spur von ihm finden, bis wir zufällig unsere Blicke nach den Hotelfenstern lenkten, und ihn zu unserem Erstaunen auf einem der hochplacierten steinernen Löwen, welche den Eingang zum Garten schmückten, reitend und seinen Hut schwenkend sahen. Wie er so hoch hinausgekommen war, und wie er von da wieder herunterkam, habe ich nie begreifen können; denn als Minna und ich in Angst zur hohen Steintreppe hinauseilten, kam uns Wagner schon entgegengesprungen und antwortete dem erschrockenen Wirte, der zwar höflich aber ernstlich vor solchen lebensgefährlichen Versuchen warnte, mit lautem Gelächter und einem: »Schon gut, ich wollte nur meinen Freunden zeigen, wie zahm die Schweizer Löwen sind!« – Unsere Schaffhausener Reise hatte einen so günstigen Eindruck hinterlassen, daß ein anderer Ausflug, nämlich nach (Brunnen am) Vierwaldstädter See projektiert wurde; diesmal wollte ich es aber durchaus nichts zugeben; denn ich sah doch wohl, daß es mit der Arbeit Wagners kollidierte. Ich beschloß daher allein zu gehen, um ihm ein paar Tage Ruhe zu geben, und besuchte auch zu gleicher Zeit den Kulm; Wagner hatte mir [472] mein Itinerarium genau vorgeschrieben, indem er von mir erwartete, eine Beschreibung der empfangenen Eindrücke zu hören.‹ Es sei noch zum Schlusse darauf hingewiesen, wie Präger diesen ganzen Besuch mit aller Gewalt in das Jahr 1856 zu verlegen sich abmüht, obgleich alle von ihm erwähnten Tatsachen im vollen Widerspruch dazu allein auf das Jahr 1857 passen; diese bewußte Umdatierung verfolgt einzig den Zweck, der Legende von seiner Mitwirkung bei der Entstehung von ›Tristan und Isolde‹ einen geringen Anschein von Glaubwürdigkeit zu verleihen. Um ihretwillen hat er oder doch der Verfasser seines Buches! sogar die beiden auf diesen Besuch bezüglichen Briefe des Meisters – nicht allein mit gefälschten oder lückenhaften Daten (durch Änderung oder Weglassung der Jahreszahl!) versehen, sondern auch die offenbar vorhanden gewesenen Originale derselben, um nicht durch sie widerlegt zu werden, vorsorglich beiseite geschafft, so daß sie wenigstens den ebenso sorgfältigen als aufopferungsvollen Nachforschungen Chamberlains sich entzogen haben. Denn daß in diesem Falle im Gegensatz zu anderen rein erfundenen, zwei wirkliche Briefe Wagners an Präger (vom Mai und vom Juli 57) noch bei der Abfassung seines Buches ihm tatsächlich vorgelegen haben, ist selbst durch die bis zur Unkenntlichkeit entstellte Reproduktion derselben hindurch mit unbezweifelbarer Gewißheit zu erkennen! Wo sind diese Briefe nun geblieben?


(Zu Seite 154: Robert Franz war dem Meister zuerst durch seinen offenen ›Brief über den Lohengrin in Weimar‹ bekannt geworden, worin er eine Gesinnungstüchtigkeit bewies, wie sie dem von Natur so vorsichtig schüchternen Manne gar nicht zuzutrauen gewesen war.) Auf diesen Artikel bezieht sich Wagners Erwähnung in den Ges. Schr. VIII, S. 303, in einem Zusammenhang, der von der eigentümlichen Erscheinung des plötzlichen Verstummens von Männern, wie Adolf Stahr und Robert Franz handelt, nachdem sich diese anfänglich – aber genau nur einmal – verheißungsvollgenug über seinen ›Lohengrin‹ ausgesprochen. Bei den ›überraschend gewichtigen Erklärungen‹ zu seinen Gunsten in ›Musikblättern von bedenklicher Tendenz‹ scheint die Erinnerung an den vortrefflichen Lohengrin-Bericht J. C. Lobesin den Leipziger ›Signalen‹ vorzuschweben. ›Der Artikel über das Judentum war das Medusenhaupt, das sofort jedem vorgehalten wurde, in welchem sich eine unbedachte Regung für mich zeigte.‹ Hinsichtlich Lobes trifft dieses Verhältnis von Ursache und Wirkung auf das Genaueste zu (Vergl. II. 1. Bd. S. 386); bei Adolf Stahr kam demnächst auch sein unverbesserliches ›Literatentum‹13, bei Robert Franz dessen unüberwindliche Bescheidenheit, um nicht zu sagen Ängstlichkeit, von Hause aus mit in das Spiel; hätte er nämlich bei der Abfassung seines erwähnten Lohengrin-Briefes überhaupt an dessen mögliche Veröffentlichung gedacht, er hätte sich dann – nach seinen eigenen Erklärungen – darin, ›nicht so unumwunden geäußert‹! Die Entstehungsgeschichte dieser seiner ersten und einzigen öffentlichen Erklärung für Wagner nebst allen dabei von ihm beobachteten Vor- und Rücksichten, hat er nach langen Jahren noch selber berichtet: ›In den fünfziger Jahren kursierten die wegwerfendsten, von der Mendelssohnschen und Schumannschen Clique ausgehenden Urteile über Wagners Leistungen, die ich leider ohne Prüfung auf Treu und Glauben hinnahm. In dieser Stimmung lud mich Liszt zu einer Aufführung des »Lohengrin« in Weimar ein: sie überraschte mich im höchsten Grade, weil hier denn doch etwas ganz anderes geboten wurde, als nach jenen ab scheulichen Verleumdungen zu erwarten stand. Damals korrespondierte ich sehr lebhaft mit Spiller von Hauenschild (er schrieb unter dem Pseudonym Max Waldau) und [473] machte gegen ihn privatissime, also frei von der Leber weg redend, meinem Herzen über den »Lohengrin« Luft. Nachdem kaum acht Tage verstrichen waren, erhielt im mehrere Exemplare der »Schlesischen Zeitung« zugesandt, in deren Feuilleton ich zu meinem großen Erstaunen die Episode über Wagners Oper, jedoch ohne Namensunterschrift, fand. Hauenschild entschuldigte sich kurz darauf wegen seines eigenmächtigen Verfahrens etc. etc. Wie es nun in Weimar ruchbar geworden ist, daß die »Schlesische Zeitung« einen Artikel von mir über den »Lohengrin« enthalte, weiß ich bis heute mir nicht zu erklären. Kurzum: H. v. Bülow stellte sich eines schönen Tages bei mir ein (??) und bat im Auftrage Liszts um den Abdruck jener Epistel in der »Neuen Zeitschrift für Musik«, jedoch mit meiner Namensunterschrift. Daraufhin erklärte ich, daß ich gegen den Abdruck des Briefes Erhebliches nicht einzuwenden habe, meine Namensunterschrift aber verweigern müsse. Das Ding sei gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, sonst hätte im gewiß in einer anderen Form geschrieben. Außerdem gehe es mir durchaus wider den Strich, mich persönlich in Streitfragen zu mischen, deren Entscheidung berufeneren Händen (?) überlassen bleiben müsse. Damit hielt im die Angelegenheit für abgetan, irrte mich jedoch. Es traf noch Jemand – wer, weiß ich nicht mehr – aus Weimar mit demselben Ersuchen ein: meine Antwort war die nämliche. Nun schrieb aber Liszt selbst einen Brief an mich, dem ich dann, wollte ich einem Manne, welchem ich so viel zu verdanken hatte, nicht unfreundlich begegnen, Folge leisten mußte. Was mit Sicherheit vorauszusehen war, traf ein: die Gegner hackten auf mich los (!) und erst nach vielen Jahren kamen die hämischen Verdächtigungen zum Schweigen, – zuweilen spuken sie immer noch umher.14 Die übertrieben ängstliche Vorsicht des sonst so liebenswürdigen Lyrikers, seine privatim geäußerte Überzeugung nun auch öffentlich zu vertreten, das Selbstopfer (nämlich: Opfer an seinem eigenen höheren künstlerischen Selbst, welches er damit seiner ›Abneigung gegen das Cliquenwesen‹! brachte, hat ihm keine segensreichen Früchte getragen.15 Die leidige Affäre mit dem ›Lohengrin-Brief‹ habe bald in den Reihen der Schumannianer, die Franz ganz als den Ihren betrachtet hatten, das Anathema laut werden lassen, ›von den Anhängern Mendelssohns, deren Zahl immer geringer wurde, nicht zu reden‹16; von der ›sehr einflußreichen Brahmsclique‹, heißt es weiterhin, sei er auf den Index gesetzt und zum ›geschickten Dilettanten‹ gestempelt worden.17 Und das alles, wenn man R. Franz glauben soll, infolge einer einzigen unvorsichtigen Äußerung zugunsten eines von der Clique ›abscheulich verleumdeten‹ Künstlers! Ein Bild davon, wie sich R. Franz öffentlich über Wagner geäußert haben würde, wenn er dazu den mindesten inneren Zwang und Drang verspürt hätte, gewinnen wir übrigens aus der Schrift seines Schwagers C. F. Hinrichs, der seine Bewunderung des Meisters durch einen überflüssigen Schwall von kritischen ›Wenn's‹ und ›Aber's‹ völlig unkenntlich machte, von der uns aber mehrfach versichert wird, sie sei von[474] Franz sehr geschätzt worden18). ›Was muß ich lächeln‹, schreibt Wagner an Liszt, ›wenn ich B(rendels) Zeitung lese mit den Aufsätzen von R(obert) (Franz) Schwager: der Mann glaubt nun ganz sicher der Sache auf den Grund zu sein, weil er so gemäßigt und vorsichtig ist – am, und wie wenig weiß gerade Der von mir!‹19 Nichtsdestoweniger hat der Meister wenige Jahre später (eben im August 1857) diesen seinen sonderbar vorsichtigen Verehrer bei einem Besuche in Zürich mit aller freundschaftlichen und herzlichen ostensilben Auszeichnung empfangen. die einem geachteten Kunstgenossen und ›bedeutenden Komponisten‹ gebührte: und wenn diesem letzteren in der Folge auf seinem dornenvollen Lebenspfade von irgendwelcher Seite her eine Erleichterung oder Ehrung bereitet wurde, so war es fast immer nur die verpönte ›Clique‹ der ›Wagnerianer‹, von deren Seite sie ausging. Zeugnis dafür das lebhafte Interesse, welches ein Uhlig, H. v. Bülow, Julius Schäffer an ihm und seinem Schaffen nahmen, vor allem aber Liszt selbst, der i. J. 1855 in Brendels Zeitschrift mit seinem bahnbrechenden Franz-Artikel für ihn eintrat, wie er denn auch nachmals, als seine traurigen Lebensverhältnisse die Sammlung eines ›Ehrenfonds‹ für ihn nötig machten, den dafür erlassenen Aufruf als Erster unterzeichnete. ›Das Glück der guten Sache war damit entschieden, – Liszts Name wirkte gleich einem Zauberworte‹.20 Und als unter den deutschen Fürsten noch keiner daran dachte, dem Vereinsamten eine wohlverdiente Anerkennung zuteil werden zu lassen, da war es Wagners königlicher Beschützer, König Ludwig II. von Bayern, der ihm i. J. 1878 als erster den Maximiliansorden verlieh, ›eine Auszeichnung, die ihren Wert nicht in den prächtigen Insignien, sondern in der statutenmäßig beschränkten Zahl der Ordensmitglieder barg‹21. Es ist kaum anzunehmen, daß Robert Franz über alle diese ihm erwiesenen Förderungen und Anerkennungen wirklich ebenso gedacht habe, wie sein mehrgenannter Biograph, der in ihnen augenscheinlich nur die ›nimmermüden Lockungen der mächtigen Wagnerpartei‹ erkennen will, – eine seltsame Wendung, die genau so viel Unwahrheiten als Worte enthält!


(Zu Seite 158/160: Besuch des jungen Bülowschen Paares in Zürich.) Es ist ein eigentümliches Schicksal des vorliegenden Werkes, daß seine einzelnen Teile immer gleichzeitig mit der Herausgabe der Bülowschen Briefe sich im Drucke befinden, so daß dieselben seitens des Verfassers immer nur erst gegen den Schluß des Bandes oder im Anhang desselben berücksichtigt werden können. Aus diesem Grunde kann die beredteste eigene briefliche Mitteilung Bülows über diesen Besuch, anstatt gehörigen Ortes im Text dieses Buches in ihren Hauptäußerungen benutzt zu werden, erst an dieser Stelle nachträglich, dafür aber in voller Ausdehnung, zur Mitteilung gelangen. Sie ist vom 19. September 1857 aus Zürich datiert: ›Seit vierzehn Tagen wohne ich mit meiner Frau bei Wagner, und ich wüßte wirklich nichts zu nennen, was mir solche Wohltat, solche Erquickung gewähren könnte, als das Zusammensein mit dem herrlichen, einzigen Manne, den man wie einen Gott verehren muß. Aus aller Misère des Lebens taue und tauche ich auf in der Nähe dieses Großen und Guten. Von den »Nibelungen« kann ich Ihnen nichts schreiben, da hört alles Ausdrucksvermögen der Bewunderung auf. Nur so viel: auch die spezifischen Musiker, sobald sie noch einen ehrlichen Faden am Leibe haben, sobald sie nicht Petrefakten von Dummheit und Schlechtigkeit geworden sind, werden staunen! Etwas Ähnliches, Annäherndes ist nicht geschrieben worden – überhaupt nicht – nirgends – in keiner Kunst, in keiner Sprache. Von da darf man auf alles andere herabsehen, alles andere über sehen. ... Was beklage ich Sie in Ihrem Atheismus: so sehr wünsche ich Ihnen die Anschauung eines Höchsten,[475] Lebendigen, das Ihnen der tote Sebastian nie und nimmer ersetzen wird! – Natürlich ist mir der Gedanke gekommen, mich hier in Zürich, oder in der Nähe, ganz niederzulassen, so wenig ich mich damit zu eilen beabsichtige.‹ (An Julius Stern, Bülows Briefe III, S. 114/15.)


(Zu Seite 183: Genau an dem Tage, da er Minna von Brestenberg abholte, 15. Juli (1858), hatte er den Besuch eines ihm bis dahin unbekannten jungen Verehrers, Wendelin Weißheimer aus Mainz, zu empfangen, der, mit einem Empfehlungsschreiben Schindelmeißers ausgerüstet, anseine Tür klopfte.) ›Am 15. Juli, neun Uhr morgens‹, erzählt dieser, abends zuvor in Zürich angekommen, (ging ich) durch die ›Enge‹ und die Straße hinaus, dann rechts einen schmalen Weg in die Höhe, bis auf der rechten Seite ein Garten kam, in dessen offener Laube ein Herr beim Frühstück saß: – Richard Wagner! Ich erkannte ihn sogleich, ging weiter bis zum Garteneingang und dem linker Hand gelegenen Wohnhaus, da traten die erwarteten Hindernisse ein. Aus dem Hause rief es: ›Herr Wagner ist nicht zu sprechen‹, und aus dem Kellerloch: ›Er ist verreist!‹ Ich ließ mich von der gut oderschlecht abgerichteten Dienerschaft nicht irre machen und bestand darauf, daß ihm Schindelmeißers Brief in die Laube gebracht wurde, in welcher ich ihn Tee trinken und frühstücken gesehen. Das half. Sofort ließ er mir sagen, er sei eben im Begriff zu verreisen, um seine Frau im Bad abzuholen. Ich stand verdutzt – sicher hatte er den Brief noch nicht gelesen – wartete einen Augenblick, und richtig kam er mir entgegengelaufen, meine Hand ergreifend und seinem lebhaften Bedauern Ausdruck gebend, daß er gerade jetzt fort müsse, wo er sich so gern mit mir unterhalten hätte. Ich möge ja morgen wiederkommen; morgen sei er bestimmt wieder hier ...

Als ich anderen Tages (17. Juli) hinkam, war er noch nicht von seinem Nachmittagsspaziergang zurückgekehrt: Frau Minna Wagner empfing mich statt seiner. Sie suchte mit angenehmer Plauderei mir die Zeit zu vertreiben, es beklagend, daß ›Richard‹ so schwer zu treffen sei; wenn er nicht arbeite, so laufe er, um sich Bewegung zu machen, zumal heute, wo er den ganzen Vormittag mit Herrn Verleger Härtel zu tun gehabt, welcher wegen ›Tristan und Isolde‹ mit ihm verhandelt und auch den ersten Akt dieser Oper gleich mitgenommen habe.22 Da der Ersehnte immer noch nicht kam, so machte ich den Vorschlag, im wollte ihm auf seinem gewohnten Spaziergang nach dem Sihltal entgegengehen; und richtig kam er mir schon bald in heller Sommerkleidung und mit aufgespanntem Sonnenschirm entgegen, mich einladend, mit ihm zurückzukehren. Auf dem Weg erkundigte er sich gleich nach Schindelmeißers Befinden, dessen wankende Gesundheit ihm Besorgnis einflößte23; ich gab ihm beruhigende Auskunft. – Unterdessen waren wir im Garten angelangt. An einem Punkt, der die herrlichste Aussicht über den See bot, standen Stühle um einen Tisch. Dort setzte er sich und ließ mich ebenfalls Platz nehmen, indem er sagte, er habe das Schreiben Schindelmeißers mit großem Interesse gelesen und besonders das, was er ihm über mich geschrieben, habe ihm außerordentlich gefallen: auf die jüngere Generation baue er. Dann mußte im ihm über die Aufführungen des ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹ in Darmstadt berichten, wobei er dem Direktionstalent Schindelmeißers (Weißheimers Lehrer) das uneingeschränkte Lob erteilte. Als ich da auf den wunderbaren, geradezu faszinierenden Orchesterklang [476] des ›Lohengrin‹ zu sprechen kam, sah er mich wehmütig an: hatte er selbst sein Werk doch nie gehört, und auch keine Hoffnung darauf; das Ende seiner Verbannung war noch gar nicht abzusehen. Schnell machte ich eine Wendung im Gespräch, erzählte ihm von Liszt, wie er uns so großmütig entschädigt habe, als wir vergebens nach Weimar gefahren, um den ›Lohengrin‹ zu hören, und schilderte ihm die Leipziger Musikverhältnisse. – Hier wurde unsere engere Unterhaltung abgebrochen. Aus dem Hause ertönte ein kurzer Gesang und heraus traten Tichatschek und der junge Tausig, welche gerade zu Besuch waren und am Tische mit Platz nahmen. Frau Wagner brachte Erfrischungen; das Gespräch bewegte sich in buntem Hinundher, Tichatschek sprach u.a. von einem schrecklichen Leipziger Theaterkapellmeister: ›wenn ich meine Sünden abbüßen will, so gehe ich nach Leipzig und singe unter Riccius.‹ Ich erzählte darauf meine Begegnisse mit Rietz im Konservatorium und auf der Gewandhaustreppe, worüber sich die Gesellschaft sehr amüsierte. In diesem Augenblick machte sich vom Laufe her ein Papagei äußerst vernehmlich mit der bekannten ›Schweizerbuben‹-Melodie und Leporellos ›Keine Ruh bei Tag und Nacht‹, was er vollkommen deutlich herausbrachte. Frau Minna sah mich an und sagte stolz: ›Das ist mein Werk, das habe ich den Vogel gelehrt‹, worauf Wagner witzig zu mir bemerkte: ›Wie Sie sehen, hat sich meine Frau auch ein Konservatorium angelegt.‹ Jetzt nahm die Unterhaltung eine ernste und sehr interessante Wendung, als Tichatschek auf die Erstaufführung des ›Rienzi‹ in Dresden zu sprechen kam, die bis spät in die Nacht gedauert, ohne daß das Publikum eine Spur von Ermüdung gezeigt. Diese ›Rückerinnerungen‹ (hauptsächlich die von Wagner nach der ersten Aufführung angeordneten, von Tichatschek wieder aufgehobenen Striche betreffend, vgl. Band I, S. 460/61), gingen zwischen Beiden in liebenswürdigster Weise und im schnellsten Tempo vor sich, wobei Wagner nicht versäumte, das Wort Orchester im damaligen Dresdener Dialekt auszusprechen; und lachend fügte er zu mir gewendet hinzu: ›In Dresden sagte man nicht Orkester, sondern Orschester!‹

So kam in der heiteren Stimmung der Abend heran. Da ich am nächsten Morgen früh abreisen wollte, so empfahl ich mich der Gesellschaft. Wagner begleitete mich bis zur Gartentür, sagte mir Dank für meinen Besuch und meine Mitteilungen, die ihn sehr interessiert hätten, wogegen ich ihm innigsten, nicht in Worte faßbaren Dank aussprach für den unendlichen Genuß, den er mir durch seine himmlischen Werke bereitet habe. Ausweichend machte er eine Wendung, als habe die ›Zeit‹ diese Werke durch ihn hervorgebracht – worauf im ihm mit entschiedener Betonung erwiderte: ›Sie haben sie gegeben und Ihnen danke ich auch!‹ Lange drückte er mir die Land – in solchen Augenblicken spricht man nicht – dann ging ich. Das bleiche, ausdrucksvolle Gesicht des damals Fünfundvierzigjährigen begleitete mich in die Stadt und auf allen Wegen. – Am nächsten Tag reiste ich von Zürich ab.24


(Zu Seite 270: ›Ich hab's nun einmal schwer, sehr schwer, und das Einzige, was mich auf sonderbare Weise erheitert, ist, daß man mir aus der Ferne immer nur wie Einem zusieht, der vor Glück und Wohlergehen nicht weiß wohin.‹) Ein sprechendes Zeugnis für diese weitverbreitete allgemeine Täuschung bietet z.B. der Bericht des, damals bereits sechzigjährigen, Darmstädter Kapellmeisters Louis Schlösser über einen, in eben diesen sorgenvollen Julitagen des Jahres 1860 (20. u. 31. Juli) dem Meister abgestatteten Besuch. Hier dieser Bericht: Zwei Wochen schon befand ich mich bei meiner Familie in Paris, besuchte die Theater, die Boulevards, die Champs Elysées, ohne im Entferntesten zu ahnen, daß Richard Wagner sein Asyl in den Schweizer Bergen verlassen und sein Heim in Frankreichs Metropole aufgeschlagen habe. Wahrscheinlich würde ich auch, bei meiner völligen Unkenntnis [477] der Sachlage, Paris wieder verlassen haben, wenn ich nicht bei einer zufälligen Begegnung mit meinem Freunde und vormaligen Mitschüler H. Berlioz, der es wieder von einem deutschen Kunstfreunde, dem Baron von E(rlange)r erfahren (!), von Wagners Anwesenheit unterrichtet worden wäre.25 Ich verlor keinen Augenblick, nachdem mir Wagners Adresse bekannt geworden, ihn schriftlich zu ersuchen, mir eine Stunde bestimmen zu wollen, wann meine Gegenwart ihn am wenigsten stören würde. Des anderen Morgens schon erhielt ich die Antwort:


Geehrter Herr, ich werde mich freuen, wenn Sie sich zu mir bemühen und mir die Ehre Ihres Besuches erweisen wollen. Sie treffen mich von 12 Uhr Mittags stets zu Hause. Hochachtungsvoll ergebenst


16 rue Newton, Champs Elysées, Paris, 19. Juli 1800.

Richard Wagner


Es war ein schöner, leuchtender Morgen, ungewöhnlich still noch in den Straßen, durch die mein Wagen fuhr, daß ich so recht meinen Gedanken nachhängen, das Bild des Mannes, den ich heute zum ersten Male sehen und sprechen sollte, mir vor Augen stellen konnte. Es gab eine lange Fahrt dahin. Mein sonst kundiger Wagenlenker hatte die erdenklichste Mühe, die rue Newton, eine in der Nähe der Barrière de l'Étoile ganz neu projektierte (!) Straße, in der erst einige zerstreut liegende Häuser standen, zu finden; endlich waren wir so glücklich, die famose Nr. 16 an der Gittertür einer von hohen Linden und herrlichen kühlen Parkanlagen umschlossenen Villa zu entdecken. Ein luxuriöser Aufenthalt, in welchem mich ein Diener zuerst in die unteren Räume geleitete, wo Wagner dem Anschein nach vor kurzem dejeuniert hatte; denn das prächtige Silberservice26 stand noch auf dem Tische. Ich hatte aber weiter keine Zeit zum Nachdenken, da mich Wagner sogleich in den Salon hinaufbitten ließ, wo er mich im gemütlichen Hauskleide, den roten Fez mit blauer Quaste auf dem Haupte, empfing und mit warmer Herzlichkeit wie einen alten Bekannten begrüßte. Mit der Jeder noch in der Hand, trat er aus dem Nebenzimmer, wo sein Flügel stand und Musikalien rings umherlagen, mir entgegen. Wo aber waren die Schilderungen geblieben, die mir über seine Person und sein Wesen zu Ohren gekommen waren? Da war auch nicht eine Spur einer hochgespannten Subjektivität, noch einer egoistischen Unduldsamkeit; nur Offenheit, Tiefe des Gemütes und ein natürliches selbstbewußtes Sichgehenlassen. Seine Aufnahme war eine wahrhaft vertrauenerweckende, herzliche, liebevolle. Als ich mich, auf die Feder in seiner Land zeigend, entschuldigte, ihn wohl gestört zu haben, erwiderte er sogleich: ›O nein, ich könnte mir keine angenehmere Überraschung denken, als den Besuch eines deutschen Landsmannes, der mir dadurch den Beweis wohlwollender Teilnahme gibt.‹ Ich mußte ihm hierauf alles erzählen, was man in Deutschland Gutes und Schlimmes über ihn sprach und schrieb, wie die Kreise seiner Verehrer trotz aller Machinationen in stetem Zunehmen begriffen seien und die Anziehungskraft seiner Werke die kühnsten Erwartungen überflügelt hätte. Es würde zu weit führen, wollte ich jene nach allen Richtungen sich verbreitende, mehrstündige Unterhaltung, insbesondere seine ideale Kunstauffassung, und die Enthüllungen, die mir über seine Existenz wurden, hier wiedergeben; ich konnte ihm nur versichern, wie sehnsüchtig seine Verehrer nach ihm begehrten, ihn in seinem Vaterlande wieder zu besitzen wünschten; stehe aber nicht an, seine Entgegnung wortgetreu zu reproduzieren: [478] ›Mein Exil wird, wie im hoffe, nicht mehr von langer Dauer sein, nachdem man sich in gewissen Regionen von meiner Ungefährlichkeit überzeugt und gefunden hat, daß man meiner Person eine Bedeutung damals beigelegt hat, die ich in Wirklichkeit weder besaß noch erstrebte. Urteilen Sie selbst, ob meine Kämpfe gegen die Unwahrheiten unserer Opernzustände einer politischen Konspiration ähnlich sehen.‹ Und mit diesen Worten zog er mich in sein Arbeitszimmer, wo seine zahlreichen Schriften, Entwürfe und Partituren, unter diesen auch ›Tristan‹ und der ›Holländer‹ sich befanden. Aber dabei blieb er nicht stehen, sondern analysierte vieles mit wunderbarer Beredsamkeit, voll Geist und Humor, so daß ich die Bemerkung nicht zurückhalten konnte, indem im meine Blicke nach verschiedenen Seiten wendete, wie angenehm ich überrascht sei, ihn in so heiterer Stimmung und umgeben von solchem Komfort (!!) zu finden.27 ›An Sorgen und Verdruß hat es mir bis jetzt ja auch nicht gefehlt, aber das Vertrauen auf meine Freunde und mein fester Wille stärkten meinen Mut und nichts konnte mich meinen Zielen entfremden.‹ Dabei strahlten seine Augen, und Gedanken von unbegrenzter Tragweite strömten von seinen Lippen. Doch möchte ich auch den bitteren Ernst nicht verhehlen, mit dem er sich darüber äußerte, daß es ihm nicht vergönnt sei, die Aufführungen seiner Opern zu überwachen. Als ich ihm hierauf mitteilte, daß der ›fliegende Holländer‹ für den nächsten Winter zur Aufführung in Darmstadt benimmt, und dies eine besondere Veranlassung für mich gewesen sei, ihn, den Autor, hier aufzusuchen, teilte er mir seine näheren Intentionen bezüglich der Besetzung und Inszenierung mit. Der Erzähler hebt hier besonders hervor, daß ihm der Meister eine gute Besetzung der sog. ›Nebenrollen‹, insbesondere des Steuermanns und der Amme, empfohlen habe: ›Ich mag‹, so seien seine Worte gewesen, ›wohl weniger umfangreiche, kurze episodische Partieen schreiben, doch auch diese betrachte ich nicht als Nebenrollen, so wie ich auch im Orchester keine Nebeninstrumente kenne, sondern auch diese als die Glieder eines Organismus behandle.‹ ›Während im noch mit Bewunderung an dem beredten Munde hing, dessen edel geschnittene Linien Entschlossenheit und Tatkraft verkündeten, ohne darum des gewinnenden Lächelns zu enthellen, das dem ernsten Angesichte etwas hinreißend Liebenswürdiges verlieh, holte er aus dem Nebenzimmer besonders gedruckte Notizen über die Szenierung des »fliegenden Holländers«. So sehr mein Sinn auch danach stand, einen Blick in die Partitur des »Tristan« werfen zu können, so waren doch viele Stunden seit meiner Anwesenheit verflossen, die Dämmerung mählich herabgesunken und es war Zeit zum Aufbruch. Trotz jeder Einsprache ließ er es sich nicht nehmen, mich bis auf die Höhe der Champs Élysées an den Arc de Triomphe zu begleiten. Dort standen wir noch eine Weile und schieden endlich, nachdem er mir vorher noch das Versprechen abgenommen, ihn am folgen den Tage noch vor meiner Abreise zu besuchen. Mit welchen Empfindungen im die Rückfahrt antrat, läßt sich kaum sagen; mein Wunsch, den Mann kennen zu lernen, der ein ruhmvolles Leben, rastlos tätig, schaffend und anregend der Kunst gewidmet hatte, war in Erfüllung gegangen! Ich schloß die Augen, um selig zu träumen, stolz auf den Vorzug, der mir von einem solchen Künstler geworden, dessen starkes Selbstbewußtsein sich öfters recht fühlbar machte. Es war mir wohlbewußt, daß er, wie alle Künstler von bedeutendem Rufe, nur zu sehr von Zudringlichen belästigt wurde, und mir war er doch mit solcher Liebenswürdigkeit entgegengekommen, daß ich auch nicht die geringste Falte auf seiner Stirn zu entdecken vermochte.‹

[479] Ein günstiges Geschick waltete über mein Kommen des folgenden Tages. Wagner hatte mich zum Frühstück erwartet; nie, auch nicht in der Folge, glaube ich, ihn in so heiterer Stimmung, in so blühender Frische gesehen zu haben. Gesprächig, aufgeräumt, satirisch, sprudelte sein Geist über von Witz und Laune, von der Aufmerksamkeit gar nicht zu reden, die er mir während des kopiösen Mahles erwies. Ich schwelgte wahrhaft bei dieser genialen Mischung von ungebundener Natürlichkeit, künstlerischer Größe und satirischen Ausfällen. Aber noch ein höherer Genuß sollte mir nach dem materiellen zuteil wer den. Wagner mußte meinen Lieblingsgedanken erraten haben, als im gestern ganz heimlich nach der Partitur des ›Tristan‹ blickte; denn im Salon lag die Partitur von ›Tristan und Isolde‹ breit aufgeschlagen, und ohne meine Aufforderung erst abzuwarten, setzte er sich an den Flügel und – welche Freude! – ließ mich, sein unfertiges Spielen entschuldigend, das Vorspiel und mehrere Stücke aus den drei Akten hören. Und was darauf erfolgte?! Schien es doch, als habe der Meister, der wohl meine innere Bewegung wahrgenommen haben mochte, es darauf angelegt, meine schwärmerische Bewunderung noch zu steigern; denn als ich unwillkürlich nun ausrief, wie dankbar ich ihm für den unvergleichlichen Genuß sei, den er mir bereitet, zog er aus der Partitur ein feingeschriebenes Notenblatt hervor und überreichte es mir mit den Worten: ›Empfangen Sie dieses kleine Zeichen als Andenken unseres Zusammentreffens in Paris; möge es ihnen zuweilen meine Person zurückrufen, wie ich auch stets Ihrer in Freundschaft gedenken werde‹. Es war der vollständige Entwurf des Vorspiels von ›Tristan und Isolde‹ auf zwei Zeilen geschrieben, den ich in der Hand hielt und wofür ich vor Freude dem Geber fast zu danken vergaß! Das Blatt prangt bis heute als ein ewig teures Kleinod zur Seite meiner Beethoven-Reliquie.28 Spät erst trennte ich mich von dem neugewonnenen Freunde. Wagner blieb noch längere Zeit in Paris, während ich in derselben Nacht nach Brüssel reiste. Nun höre ich die letzten Worte, die er mir beim Abschiede zurief: ›Reisen Sie glücklich, auf Wiedersehen im Vaterlande!‹ (Vgl. ›Ein Besuch bei Richard Wagner in Paris‹, von Louis Schlösser. Allg. Mus. Zeitung 1885, S. 191. Im Vorstehenden teils verkürzt, teils ergänzt nach einem früheren Bericht desselben Verfassers über denselben Besuch in derselben Musik-Zeitung 1883, S. 269. 282.)


(Zu Seite 277: ›Noch nie ist mir das Material zu einer ausgezeichneten Aufführung so voll und unbedingt zu Gebote gestellt worden, als diesmal in Paris an der großen Oper: ein wirklich kaiserlicher Befehl macht mich zum Meister alles Materiales und gibt mir Schutz gegen jede Intrigue.‹) Dem entsprechend lautet auch die vom 17. (?) Oktober 1860 datierte Nachricht des Meisters an Bülow: ›Täglich Probe. Alles vortrefflich. Vollendete Aufführungfast Ideal in Aussicht‹. Für den weiteren Verlauf der Angelegenheit sind die brieflichen Nachrichten Bülows selbst von so anschaulicher Bedeutung, daß wir es als unsere Pflicht erachten, sie als dokumentarisches Material auszugsweise aus Bülows Briefen (dem soeben erschienenen III. Bande) hierherzusetzen.

Paris, 18. Februar 1861 (An Joachim Raff): ›Erste Aufführung des »Tannhäuser« höchst wahrscheinlich schon Montag, den 25. (Februar). Ohne jede Übertreibung – die Darstellung wird alle Erwartungen übertreffen. Es ist fabelhaft, mit welcher Mühe, welchem Fleiß Chöre und Soli einstudiert sind. In Deutschland hat man keine Ahnung von solcher technischen Vollendung, von solchem Eifer. Neulich Sonnabend Abend, war eine Probe der ersten Hälfte des ersten und des ganzen zweiten Aktes, ohne Kostüm, aber mit Szene und [480] natürlich Orchester. Sie währte von 1/28 Uhr bis Mitternacht. Nirgends, selbst im letzten Augenblick, ein Zeichen von Unaufmerksamkeit oder Erschlaffung. Alles militärisch auf dem Posten von Abis Z. (Die französischen Sänger sind wie umgewandelt: da ist kein Chevrotieren und Tremulieren mehr, sondern schöner, ausdrucksvollster Gesang.) Ich traute meinen Ohren kaum: die Sache ist so einzig in ihrer Art, daß es für jeden Musiker rentabel sein dürfte, die Reise nach Paris zu diesem Ereignis eigens zu unternehmen.‹ (Vgl. zu diesem Allem S. 279/80 dieses vorliegenden Bandes.) ›Von der Ausstattung läßt sich keine Schilderung entwerfen. Das ist so feenhaft schön, daß man sehen muß, um zu glauben. Was deutsche Bühnen hierin etwa geleistet, ist vergleichsweise nur kindlich zu nennen. Kurz, das Berliner Diktum, »was gemacht werden kann, wird gemacht«, paßt eigentlich nur auf Paris und in jeder Beziehung.‹

28. Februar 1861. (An J. Rass.) ›An der unberechenbaren Verzögerung der ersten Vorstellung des »Tannhäuser« ist niemand schuld als das erbärmliche Geschöpf: Dietsch, der eselhafteste, dickfelligste, unmusikalischste aller Kapellmeister, die ich je in Deutschland gerochen. Unter keiner Bedingung will man dem Autor die persönliche Direktion der ersten Vorstellung oder nur einer Generalprobe zugestehen. »Usus-tyrannus« sträubt sich dagegen. Dietsch hat Angst, daß bei seiner notorischen Unfähigkeit diese außergewöhnliche Maßregel ihm den Hals, die Stellung kosten könnte. Nicht ohne. Aber schlimm, daß dieser »Schöps d'orchestre«, wie ihn W(agner) nennt, Sänger, Chöre, Orchester, die alle ihre Sache vortrefflich und bombenfest können, nur aus dem Geleise bringt durch seinen Gedächtnismangel, sein blödsinniges, unsicheres Herumfuchteln. Böse Geschichte, die den Sukzeß des Werkes leicht kompromittieren kann. Dietsch wird natürlich protegiert durch Poniatowsky, der aus verschiedenen Motiven sehr pikiert auf R. W(agner) ist.‹

Paris, 9. März 1861. (An W. Kalliwoda.) ›Der Kretinismus hat vorläufig gesiegt. Es wäre auch gar zu traurig und weltverrückend, wenn zugunsten eines Genies einem Lumpen, der vermöge seiner Unfähigkeit gerade am geeignetsten ist, die göttliche Ordnung des Schlendrians aufrecht zu erhalten, nur ein Haar gekrümmt werden sollte. Zwischen Wagner und Dietsch zu wählen, wie konnte Onkel Walewski da nur einen Augenblick schwanken! Wagners Brief war ein Meisterstück von Klarheit – so brauchte es denn auch 48 Stunden, um eine Antwort zu drechseln, die die Hauptsache gänzlich eludiert. Nun, man muß Gott für alles danken Morgen Abend ist letzte, allerletzte, unwiderruflich letzte Probe bei verschlossenen Türen. Wagner wird das Möglichste tun, die Sänger anzufeuern, anzuspornen und Dietsch in Gegenwart seiner Untergebenen keine einzige Lektion ersparen. Geht's schlecht, so ist seine Forderung nachträglich gerechtfertigt, deren Ablehnung verdammt, Dietsch in der öffentlichen Meinung, die schließlich, trotz aller Verkehrtheiten, Instinkt des Richtigen besitzt, ruiniert. Die Presse nimmt Wagners Partei in dieser Sache und greift die Administration vorläufig sanft an. Aufführung 13. März.‹

Paris, 9. März 1861. (An Alex. Ritter.) Charakteristik der einzelnen Repräsentanten der Haupt- und Nebenrollen: ›Unter allen Mitwirkenden ist Niemann der miserabelste etc. etc. (Vgl. S. 299 dieses Bandes.) – Mme. Tedesco-Venus famos als Person und Stimme. Diese Person singt mit einer Reinheit der Intonation und einem ins-Zeug-gehen, daß einem das Herz im Ohre lacht. – Aber gegen die Sax, deren Irische, Glanz und Poesie als Elisabeth ideal ist, muß sie doch noch zurückstehen. Das Gebet singt sie ergreifend schön! – Cazeaux als Landgraf applaudierbar überall. Im Hinausweis des Tannhäuser (2. Finale) pflegte er stets in den Proben lebhaft beklatscht zu werden. – Morelli kein Mitterwurzer, aber glanzvolle Mittel und ziemliches Verständnis. Äußeren Effekt wird er in reichem Maße machen. – Hirtenknabe unsicher; Biterolf etwas roh. Walther sehr mittelmäßig. – Das Allegro des 2. Finale wird ohne Kürzung gemacht. Die Wirkung ist kolossal. Chöre prachtvoll (Massé ist Chordirigent). – Vauthrot als chef du chant und Cormon als [481] Regisseur haben Musterhaftes geleistet. Kein punktiertes Achtel fehlt. Übersetzung vortrefflich. – Und das Alles wird fast zu nichte gemacht durch den Esel vonchef d'orchestre‹ etc. etc. (S. 300 dieses Bandes.)

Berlin, 26. März 1861. (An Alois Schmitt.) ›Das Gerede deutscher Journalisten, die nur feindliche Voten in Paris sammeln, von einem Fiasko, ist als ein lügenhaftes, zum mindesten sehr verfrühtes zu betrachten. Nach der sechsten Aufführung wird das ganze Werk – von dem schon in der ersten Vorstellung manches entscheidend gezündet hat – sich zum Heile der Académie impériale völlig Bahn gebrochen haben. Mit dieser festen Überzeugung habe ich Paris verlassen. Die Aufführung war eine ganz exzellente. Das einzige Störende Herr Niemann, dessen klangloser Baryton ... den Meister wie das ganze Publikum bitter enttäuscht hat. Formes, Schnorr, Tichatschek, selbst der mediocre Gueymard in Paris würden dem Werke mehr genützt haben.‹

Berlin, 10. April 1861. (An Alexander Ritter). ›In dem famosen Wagnerschen Brief, der vor einigen Tagen in der Deutschen Allgemeinen Zeitung abgedruckt worden ist, steht alles drin, was über die Pariser Tannhäuserei eigentlich zu erzählen ist. Manches ist etwas verschleiert angedeutet: das schandbare Benehmen Niemanns als miserabler Künstler und Mensch, sowie des deutschen (lies: jüdischen) Lumpengesindels in Paris. ... Ich war bei der ersten Aufführung zugegen, die ließ nicht so Schlimmes ahnen.‹


(Zu Seite 312: Ein widerwärtiges Seitenstück zu der wüsten Orgie des Parteihasses und Unverstandes in den Pariser Blättern bildet der wahrhaft zynische Ton, in welchem sich die meisten deutschen Zeitungen über den Sturz des ›Tannhäuser‹ in der Pariser Oper ausließen.) Man vgl. zu dieser bedenklichen Erscheinung das vom 19. März 1861 datierte Resümee Georg Herweghs in einem Züricher Blatte:

›Wenn Wagners »Tannhäuser« in Paris bei seiner ersten Aufführung nicht den Erfolg gehabt, den er verdiente und den seine Freunde ihm von Herzen wünschen mußten, so ist es doppelte Pflicht der letzteren, auf die unlauteren Manöver aufmerksam zu machen, denen die Oper unterlegen ist, und auf die unlauteren Stimmen, welche diese Niederlage noch zu vergrößern suchen. Hier in Eile nur einiges, ehe die Berichte über die zweite Vorstellung einlaufen. – Man vergleiche z.B. die Korrespondenz der »Indépendance Belge« und das Feuilleton im »Nord«. Sehen sich die beiden nicht ähnlich wie ein Ei dem anderen?? Sie sind wahrscheinlich von derselben Henne gelegt, wenigstens ist derselbe Hahn ihr Vater, und zwar kein gallischer, sondern offenbar ein semitischer. Der gleiche Vogel kräht auch in der »Kölnischen Zeitung«. Hier unterzeichnet er sich sogar mit seinem Namen, Szarvady, auf gut deutsch Hirsch oder Hersch, damit der große Jude den kleinen kontrollieren kann. Überall Moses und die Propheten, oder vielmehr: Moses und der Prophet. Überall dasselbe Lied: Niemann ist ein großer Sänger, wenn er nur erst »Musik zu singen« bekäme. »Es heißt übrigens, Niemann studiere bereits den Johann von Leyden ein.« Spiritus, merkst du was? Überall auf demselben in Wagners Werken nur beiläufig einmal vorkommenden Ausdruck »Musik der Zukunft« herumgeritten! Und von welchen Reitern! Wer von allen, die sich dieses Kleppers bemächtigt haben, hat wohl nur einen Blick in Wagners Werke (sc. Schriften) getan? Aber freilich – das ist gefundenes Futter für den musikalischen und auch für den andern Janhagel. »Musik der Zukunft«, das heftet man nun dem Komponisten an, wie unartige Gassenjungen einem einen gewissen Vierfüßler mit langen Ohren anheften, um ihren Kameraden einen Spaß zu machen! Die »Musik der Zukunft«, ein rotes revolutionäres Kunstgespenst, vor dem die »musikalische Charakterköpfe« schreibenden Philister zurückschaudern. A la lanterne mit Bach, Mozart, Beethoven! hat er gesagt. Sonderbar – Wagners größter Verehrer, Hans von Bülow, hat erst kürzlich in Zürich Stücke von Bach in einer Weise vorgetragen, wie man sie weit und breit nicht zu hören bekommen wird.[482] Wagner selbst ist der genialste lebende Interpret Beethovens. Das Pariser Konservatorium mit seinen kolossalen Kräften und seinen virtuosen Solisten, das wir gerade in Beethovenschen Aufführungen zu bewundern oft Gelegenheit haben, konnte das nicht leisten, was die kleine Züricher Kapelle unter Wagners Direktion geleistet hat. Wir haben einem Beethoven-Konzert in einem hiesigen Privathause29 beigewohnt, wie es uns die Weltstadt, deren Urteil für alle schadenfrohen Gesellen nun so maßgebend geworden ist, nie geboten hatte. Und die Clique und die Claque – der »Charivari« läßt der Claque die Hände auf den Rücken binden, damit ihr nichts übrig bleibt als zu pfeifen – die Clique und die Claque haben es sein angelegt, Wagner den Kommandostab bei der Aufführung des »Tannhäuser« zu entreißen und die Leitung der Schlacht – denn eine Schlacht galt es gegen eine mit dem besten Kriegsmaterial, mit Geld ausgerüstete Koalition – einem Meyerbeerschen Unteroffizier anzuvertrauen. Die Bulletins waren fertig, ehe das Treffen begann, und flogen in alle Welt. »L'opera di Wagner non piacque«, war bis tief nach Italien telegraphiert worden und wir konnten die Depesche bereits gestern in allen Zeitungen von jenseits der Alpen lesen. »Der Tannhäuser muß tot intriguiert werden«, lautet die Parole seit Monaten, und wir wären überrascht, wenn es am Abend des 13. März im Saale der großen Oper anders zugegangen wäre. Selbst die jetzige politische Erregung wurde ausgebeutet, um das Kontingent der Koalierten zu verstärken. – Ein Teil des zum Skandal kommandierten Publikums, natürlich nebst einigen Freiwilligen, zeichnete sich durch sehr gesinnungsvolle Grobheit gegen eine Dame aus, und eine Zeitung läßt sich schreiben, wenn der »Tannhäuser« noch einen vierten Akt gehabt hätte, so hätte man gerufen: »Nach Venedig!« Die zu sehr affichierten oder sich selbst affichierenden Protettore und Protektrieen mußten bei der jetzigen Witterung Wagnern allerdings schaden. Jämmerlich ist an der Geschichte nur, daß vor allem diejenigen, die der Protektion so viel Ruhm und Geld zu verdanken haben, ihrem Unabhängigkeitsdrang am lautesten Luft gemacht haben; jämmerlich ist ferner, daß man zu förmlichen Bübereien seine Zuflucht genommen hat und z.B. vom Orchester aus bei einer pathetischen Stelle einmal einen Ton erklingen ließ, als wenn man eine Katze in den Schwanz gekniffen hätte. Und jämmerlich wäre es, wenn wir, denen Wagner so viel Freude bereitet hat, unser jahrelang festgehaltenes wohlbegründetes Urteil über die großen Schönheiten im »Tannhäuser« durch eine, mit aller Hinterlist herbeigeführte, Niederlage desselben in der Pariser Oper beirren ließen. »Tant pis pour les Parisiens!« wollen wir sagen. Und auch dort, in Paris ist bei dem Charakter des Publikums und der Energie Wagners, die schon manchem Sturm die Stirne geboten, ein Umschlag mehr als wahrscheinlich. Er ist gewiß. –‹


(Zu Seite 405, Anm.: Wagners Angaben über seinen Verkehr mit Hanslick und des letzteren verspäteter Protest dagegen.) Wie bereits S. 322 dieses Bandes erwähnt, beruhen diese Angaben auf einer eigenhändigen Mitteilung des Meisters an W. Tappert, von diesem publiziert zuerst im Musikal. Wochenblatt 1877, S. 389, und sodann wieder i. J. 1895, gleichsam zur Abwehr und als Replik auf die gehässige Entstellung selbst der Persönlichkeit des toten Meisters in Hanslicks ›Memoiren‹, – in dem Feuilleton-Artikel eines Berliner Zeitungsblattes (›Das kleine Journal‹ 1895, Nr. 35 vom 5. Februar). In einem späteren Artikel desselben Blattes rekapituliert Tappert den Inhalt dieser Beziehungen, indem er dabei von der Situation des Jahres 1861 ausgeht. Waffenlos habe damals der Meister den erbärmlichen Angriffen Hanslicks gegenüber gestanden; das Einzige, was ihm blieb, sei der Entschluß gewesen: mit diesem Menschen will ich nichts zu tun haben, den kenne ich nicht mehr! ›Wer je systematische Niederträchtigkeit erfuhr‹, fährt er fort, ›muß dem [483] Beleidigten recht geben. In solcher Stimmung lehnte es der geniale Meister ab, die unerfreuliche Bekanntschaft zu erneuern.30 Dem Drängen der ängstlich gemachten Künstler nachgebend, hatte Wagner eingewilligt, 1862 bei Frau Dustmann mit Hanslick zusammenzutreffen.31 Der gefürchtete Rezensent benutzte die Gelegenheit, um mit dem gefeierten Komponisten eine Verständigung anzubahnen, leugnete böse Absichten, entschuldigte sich mit der Unzulänglichkeit seiner Einsicht, bat um Belehrung – genug, er spielte den reuig Zerknirschten mit solchem Erfolge, daß der allezeit gutmütige Meister ganz gerührt war, an eine Bekehrung glaubte und die Einladung des armen Sünders veranlaßte, als im Hause Dr. Standhartners32 der Dichter seinen eben vollendeten »Meistersinger«-Text vorlas. Hanslick war tief gekränkt; er hatte sich eingebildet, Wagner habe ihn als Modell für – Beckmesser, den kleinlichen, gallig-bissigen Stadtschreiber und »Merker« benützt. Den Verstimmten konnte niemand halten, er eilte davon. Dies in Kürze der Inhalt jener Episode aus Wagners Leben; ich habe sie schon 1877 im »Musikalischen Wochenblatt« unter der Überschrift »Wagner und Hanslick« veröffentlicht, ohne den Verfasser redend einzuführen. Damals waren noch viele der Beteiligten am Leben, dieser Umstand zwang Herrn Hanslick zur Vorsicht – er drückte sich eilig und geräuschlos an der unangehmen Sache vorbei und sprach von dem »Berliner Klavierlehrer«, der eine »lächerliche Geschichte« aufs Tapet gebracht habe. Wagner und Standhartner – von den andern‹ (Cornelius, Tausig etc.) ›gar nicht zu reden – sind tot. Jetzt glaubt Herr Hanslick eine ganz andere Melodie anstimmen zu dürfen ... Solange ich lebe, werde ich stets an Wagners Tür klopfen, um die Wahrheit zu erfahren. Nachdem Wagner, fast noch unter dem Eindruck der sonderbaren Erlebnisse, die Tatsachen fixiert hat, kommt jede menschliche Hilfe zu spät.‹ (W. Tappert im ›Kleinen Journal‹ 1895, Nr. 62 vom 4. März.


(Zu Seite 431: Einstweilen wandte er sich der Förderung der Partitur seiner ›Meistersinger‹ zu und genoß in seiner neuen Umgebung einer wohltuenden Einsamkeit.) Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn R. Batka ist uns ein Ausschnitt aus einer Prager Zeitung übermittelt, der uns sonst unzweifelhaft entgangen wäre. Er hat die seltsame Aufschrift: ›Ich habe bei Richard Wagner gedient‹, mitgeteilt von P. J. B. – Ex ore infantium tibi laudem perfecisti! Es sind Mitteilungen einer alten Frau Anna Prucha, geb. Blazek, die neben dem getreuen Franz Mrazek und dessen Gattin zu Wagners Penzinger Dienerschaft gehörte. ›Der Herr Bischof Prucha, wissen Sie, der, welcher in Prag starb, ist ein Onkel meines Mannes‹, habe sie, auf ihre Verwandtschaft stolz, ihre naiven Berichte über das häusliche Leben des Meisters eingeleitet, die wir hier mit Auslassung der an sie gerichteten Fragen, ihrem wesentlichen Inhalt nach, wiedergeben. ›Er stand sehr zeitlich auf und ging sehr spät schlafen; manchmal aß er erst um Mitternacht zu Mittag. Sein erstes, wenn er aufstand, war, daß er badete und sich unter eine starke Douche stellte. Dann ging er mit seinen drei Hunden spazieren33 und kam dann zum Frühstück, das ihm sehr schmeckte. Da konnte man noch mit ihm reden; sowie er aber zu pfeifen und einzelnes am Klavier zu spielen begann, da war es aus. Einmal besuchte uns der Fürst L(ichtenstein) und ich sagte: »Herr von Wagner, es ist hier Se. Excellenz Fürst L.« – doch mein Herr, der gerade mitten im Komponieren war, ärgerte sich über die Störung und sagte: »Der Kerl bringt mir wieder Flöh'.« Was für Flöhe der Fürst bringen konnte, vermochte ich absolut nicht zu begreifen.34 [484] Auch mit einem Herrn Tausig aus Währing war er befreundet; sie komponierten zusammen (!) doch niemand erfuhr, was sie komponierten. Auch die Kaiserin von Rußland (!) schien mein Herr gut zu kennen, denn in jedem Zimmer war ein Bild von ihr.35 Einmal sandte ihm die russische Kaiserin ein silbernes, innen vergoldetes, mit einem silbernen Adler geschmücktes Trinkhorn, und daraus gab er den Gästen Champagner zu trinken.36 Einmal sah ich mir in einem Zimmer ein Bild an, das einen Schuster darstellte, der Stiefel nähte. Da frug er mich, was ich anschaue? »Diesen Schuster da«, sagte ich. »Das ist auch ein Dichter«, sagte er. – Manchmal fiel ihm etwas ein und er schrieb es gleich auf, und ich mußte oft (?!) um 11 Uhr nachts noch einen Brief irgendwohin tragen. Aber ich kannte die Häuser bereits und traf überall hin. – Als einmal dem Kammerdiener Mrazek ein Mädchen geboren wurde und die Eltern ihn baten, er möge die Patenstelle annehmen, da sagte er: »Ich darf nicht, ich bin ein Ketzer«, und als sie Fräulein Marie37 als Patin haben wollten, antwortete er: »Sie darf auch nicht, sie hat keinen Charakter.« Als jedoch der Priester zur Taufe kam, war er dabei, kniete nieder und betete mit uns das Vaterunser und den Mariengruß. Und dem Kinde schenkte er ein Muttergottesbild im silbernen Rahmen. – Er konnte freilich leicht geben, denn er bekam für eine Komposition 2000 Gulden und noch mehr. Und wie ihn die Leute verherrlichten! Einmal brachten sie ihm einen Fackelzug dar und eine Deputation mit weiß-roten Schärpen übergab ihm ein Seidenpolster, auf welchem sein Name und ein Kranz herum mit Gold gestickt war. Er bewirtete die Deputation mit Champagner, den er ihnen in dem silbernen Trinkhorn reichte, welches er von der russischen Kaiserin geschenkt erhalten hatte. Dann riefen sie: »Vivat! hoch soll er leben!« und unser Herr trat auf den Balkon und war so bewegt, daß er kaum sprechen konnte; und wir Viere standen hinter ihm.‹ (›Politik‹ 1897, Nr. 162, S. 8.)


(Zu Seite 441: Auch die Veröffentlichung der Dichtung vom ›Ring des Nibelungen‹ war gänzlich ohne Folgen geblieben. Allerdings wäre es, nach Wagners eigenen Worten, etwas neues in der Geschichte der modernen deutschen Publizistik gewesen, wenn die dichterische Arbeit eines ›Opernkomponisten‹ neben den Elaboraten ›literarischer Poeten von Fach‹ in ernstliche Betrachtung gezogen worden wäre.) Mit wirklicher Unumwundenheit hat sich tatsächlich erst in unseren Tagen – 1899 – ein vielgefeierter dramatischer Dichter, Ernst von Wildenbruch, in einer Abhandlung über das ›deutsche Drama‹ über die exzeptionelle, alles überragende Bedeutung Richard Wagners als dramatischer Dichter geäußert. Mehr als drei Jahrzehnte mußten erst ins Land gehen, bevor ein so freimütiges Urteil aus diesen Kreisen sich erhob, nachdem bis dahin nur etwa hier und da die vereinzelte Stimme eines neueren Literaturforschers es gewagt hatte, sich zugunsten des dramatischen Dichters Richard Wagner vernehmen zu lassen. ›Hier blieb man dabei, mich für den Opernmacher auszugeben, um dessen musikalische Befähigung es übrigens schon aus dem Grunde, daß er durch exzentrisches eigenes Textmachen sich zu helfen genötigt sei, notwendig übel stehen müsse‹ (Ges. Schr. VI, S. 374/75). In diesem Sinne gereicht die freimütige Offenheit des Wildenbruchschen Urteils seinem Urheber selbst heutigen Tages noch zur besonderen Ehre, weshalb wir dasselbe in derjenigen verkürzten Form, in welcher es vor kurzem in einigen musikalischen Blättern zum Abdruck gelangt ist38, auch an dieser Stelle in seinen wesentlichen Punkten reproduzieren. In den ersten Jahrzehnten nach Schillers [485] Tode sei ein klägliches Experimentieren, ein Tasten und Tappen nach allen möglichen Stoffen an Stelle des gewaltigen, einheitlichen Dranges getreten, der Schillers Lebenswerk geleitet hatte. ›Das zeigte sich noch stärker in den Leistungen der Dichterschule, die in den letzten Lebensjahren Goethes aufstand und nach seinem Tode zur Blüte gedieh, dem sog. »jungen Deutschland«. Diesem Geschlecht bot die Geschichte und Entwickelung des Vaterlandes nichts, weniger denn nichts, Verzweifelung. Die große Bewegung der Freiheitskriege war verrauscht; eine erbärmliche Politik hatte das deutsche Volk um den Preis seines heldenmütigen Aufschwunges betrogen; Deutschland befand sich in schmählichem Rückgange ... Nach diesem allen wird man sich vorstellen können, was für ein zerfahrenes Gesicht die deutsche dramatische Dichtung dieser Zeit aufweist. Nicht, daß die Produktion gestockt hätte, – im Gegenteil, es wurden massenhaft Dramen geschrieben. Aber die Qualität dieser Hervorbringungen stand in keinem Verhältnisse zur Quantität, und man muß die großen Begabungen, die damals tätig waren, aufrichtig beklagen, daß sie dazu verurteilt waren, in solcher Zeit zu schaffen. Bezeichnend dafür, wie gänzlich der Sinn für dramatische Größe dieser Generation verloren gegangen war, ist die Art, wie kläglich die häusig unternommenen Versuche ausfielen, die großen Sagendichtungen Deutschlands, insbesondere die Nibelungensage, zu dramatisieren. Und doppelt bezeichnend die Art, wie die zünftigen Dramatiker dieser Zeit achselzuckend an dem Manne vorübergingen, der ebenfalls nach den deutschen Sagenstoffen griff und der, während sie ihn geringschätzig ignorierten, der Einzige war, der diese Stoffe in ihrer Größe erkannte und sie dramatisch zu gestalten vermochte. Dieser Mann war der Musikdramatiker Richard Wagner, der nicht nur turmhoch über den Dramatikern des »jungen Deutschlands« steht, sondern der überhaupt und bis in unsere Tage der genialste deutsche Dramatiker seit Friedrich Schiller ist. Ohne auf die übrigen Musikdramen Richard Wagners einzugehen, sei hier nur auf die Art hingewiesen, wie er im Gegensatze zu den Dramatikern seiner Zeit, den Stoff der Nibelungensage erfaßt hat. Alle diese Dramatiker wählten nämlich als Grundlage für ihre Dramatisierung des großen Stoffes das deutsche Nibelungenlied. Keinem einzigen siel es ein, über dasselbe hinauszugehen, keinem einzigen kam der Gedanke, daß das Nibelungenlied selbst schon eine Bearbeitung, eine abgeschwächte Bearbeitung der ursprünglichen Sage war. Alle diese Dramen waren Bearbeitungen einer Bearbeitung; man kann sich vorstellen, was daraus wurde! Alle diese Dramen übersäyen gänzlich, was schon der Verfasser des Nibelungenliedes übersehen hatte, wo eigentlich der dramatisch-tragische Konflikt des Stoffes ruht; alle machten es dem Verfasser des Nibelungenliedes nach, dem es darauf angekommen war, den Kampf zwischen den Burgunden und Hunnen zum Schwerpunkte des Werkes zu machen, während er die Vorgänge, die sich zwischen Siegfried und Brünnhilde abgespielt hatten, kaum andeutete und so das Verhältnis zwischen beiden ganz unverständlich ließ. Der Einzige also, der den Blick besaß, um zu erkennen, wo die dramatisch-tragische Wurzel des ungeheueren Stoffes ruhte, der die Land besaß, den Stoff an dieser Wurzel zu packen und darauf sein Drama aufzubauen, war der Mann, über dessen kühne, manchmal sonderbare Wortfügungen die zünftigen Dramatiker hohnlachten, ohne zu fühlen, ohne auch nur zu ahnen, welch' mächtige dramatische Konzeptionskraft aus seinem Werke sprach. Richard Wagner war es, welcher erkannte, das es sich um einen Sagenstoff, nicht um einen geschichtlichen, handelte, daß mithin das historische Gewand, in welches das Nibelungenlied ihn gekleidet hatte, gar nicht paßte. Mit der Entschlossenheit des Genies griff er darum zu, riß den Stoff von da hinweg, wo er nicht hingehörte, aus dem Konflikt historischer Menschen, stellte ihn an seine wahre Stelle, in die vorgeschichtliche Urzeit unter Götter und Übermenschen, und indem er Siegfried und Brünnhilde in den Mittelpunkt des Werkes rückte, alles auf diese beiden Gestalten hinarbeiten und aus ihrem Verhältnis herauswachsen ließ, schuf er ein Drama, das heute den ganzen Erdkreis beherrscht, während die Nibelungen-Dramatiker, die einst die Achseln [486] über ihn zuckten, vergangen und tot sind und nur hier und da noch einmal zu einem dürftigen Eintagsleben aufgeweckt werden.‹


(Zu Seite 443: Eine kleine Episode aus den bitteren Nottagen des Dezembers 1863 bekundet in rührender Weise das großmütige Herz des Meisters und sein Mitgefühl für den notleidenden Kunstgenossen. Der k. k. Kammermusikus Pauli, Mitglied des k. k. Hofopernorchesters, hatte sich noch vor Wagners Abreise auf seine Konzerttour mit der Bitte um ein Darlehen an ihn gewendet. Damals war es ihm unmöglich, diesem Ansuchen zu willfahren, und auch nach seiner um die Mitte Dezember erfolgten Rückkehr bedrücken ihn schwere Sorgen. Dennoch taucht die Erinnerung an jene Bitte in seinen Gedanken mit einer Art Selbstvorwurf wieder auf, so daß er sich mit den folgenden zartfühlenden Zeilen an ihn wendet: ›Geehrtester Herr! Mir ist es sonderbar ergangen, und nachdem es mir einige Zeit schwer blieb, Ihnen den gewünschten kleinen Dienst zu leisten, fand ich dann Ihren Brief mit Ihrer Adresse nicht, wollte mich erkundigen, vergaß es wieder, bis ich endlich erst jetzt mich wieder erinnere. Obwohl ich Ihre Adresse nicht weiß, wollte ich Ihnen doch meine Entschuldigung zukommen lassen Kann Ihnen jener kleine Dienst noch helfen, so bitte ich, mir es zu melden. Ihr achtungsvoll ergebener Rich. Wagner. Penzing, 17. Dez. 63.‹ Zwei Tage später (nach inzwischen erfolgter Antwort): ›Werter Herr Pauli! Ich muß Sie ersuchen, erst in einigen Tagen – etwa nächsten Donnerstag – das gewünschte Darlehen von mir zu erwarten, da ich selbst meine Geldangelegenheiten nicht früher ordnen kann. Wollen Sie mir Ihre Adresse hinterlassen, so dürfen Sie sicher sein, daß ich das Geld Ihnen zuschicke. Ihr ergebener Rich. Wagner. Samstag Mittag‹.39 Von Zurückgabe des Geliehenen wollte er in solchen Fällen ebensowenig etwas wissen, wie in dem auf S. 155 dieses Bandes berichteten Falle mit Robert Franz. In wieviel Fällen ist mit der Zugänglichkeit dieses weit offenen, selbst in schwierigen Lebenslagen immer königlich großmütig gesinnten Herzens Mißbrauch getrieben worden! So beklagt er sich einmal in einem Briefe an Liszt humoristisch über einen gewissen Züricher Maler, der ihm die Zeichnungen zu den Dekorationen des ›fliegenden Holländers‹ geliefert; Liszt möge sich wegen dieser Zeichnungen an diesen direkt wenden: er habe nicht gern weiter mit ihm zu schaffen, weil er – ›die Passion habe, mich armen Teufel immer anzupumpen‹. Was alles drängte sich nicht während der Münchener Periode mit Bittgesuchen jeder Art an ihn heran! Zu jeder Zeit aber hat er insbesondere dem Arbeiter stande ein offenes Herz bewahrt, dem ›Arbeiter, der alles Nützliche schafft, um davon selber den geringsten Nutzen zu ziehen‹ den armen ›Hungerern und Frierern‹, in denen er gleichwohl den ›wahren Sitz der deutschen‹ erkannte. Wie er schon in dem Pariser Elend der ersten Periode den ›kranken deutschen Handwerksburschen‹, dem er kein Almosen zu reichen hat, weil Minna soeben das letzte Geld für Brot hatte wegschicken müssen, ›zum Frühstück wiederbestellt‹, da er ihn hier im wildfremden teilnahmlosen Paris seinem Schicksal nicht überlassen kann,40 so hat er es jederzeit in seinem Leben gepflegt. Wie mancher Bedürftige, der an die Tür von Wahnfried pochte, hat dort (and nach seiner Tradition bis auf den heutigen Tag) seine ›warme Suppe‹ erhalten. Die ›warme Suppe‹ oder das stärkende ›Glas Wein‹ waren stets für Bedürftige in Bereitschaft. Von dieser Herzensgüte wissen Alle, die mit ihm verkehrten, zu berichten. ›Er ist ein genialer und auch guter Mensch,‹ sagt Gottfried Keller von ihm, und aus voller Herzensempfindung bezeichnet ihn Bülow als den ›Edelsten, Liebens- und Verehrungswürdigsten‹41 und, noch kürzer, als: ›diesen Guten und Großen‹!42

Fußnoten

1 Der Erzähler nennt hier versehentlich – im August 1854! – die Skizzen zum ›Siegfried.‹


2 Dies ist eine humoristische Beziehung auf die vielfach laut gewordene Ansicht, Präger habe sich, durch die zahlreichen in seinem Buche enthaltenen, albernen und törichten Verleumdungen Wagners, an ihm für das ›Judentum in der Musik‹ rächen wollen!


3 Bayreuther Blätter 1898, S. 329.


4 Die erste, daß er Liszt i. J. 1851 kennen lernte und zu ihm als Schüler eintreten durfte.


5 Vgl. S. 69 des gegenwärtigen Bandes.


6 S. 85/86 dieses Bandes.


7 S. 90/91 dieses Bds.


8 S. 90 dieses Bds.


9 Vgl. S. 92/94 dieses vorliegenden Bandes; vielleicht hat bei der obigen Schildegrund die Abschiedsfeier in Wagners Wohnung (S. 96) vorgeschwebt?


10 Vgl. S. 89, Wagners Äußerung über Klindworth: ›Jetzt geht es ihm etwas besser, aber spazieren gehen darf er noch nicht mit mir.‹


11 S. 80. des gegenwärtigen Bds.


12 Beglaubigt durch die Redaktion der englischen Zeitschrift Musical Standard, die ihn vor dem Abdruck mit der, ihr vorgelegten Originalhandschrift verglichen hat.


13 Siehe Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt I, S. 234: ›Stahr schrieb mir (Liszt) einen längeren Brief etc.‹, und S. 238: ›Stahrs Urteil über meine Dichtung etc.‹ ›Der erwähnte Brief Stahrs, vom 15. März 1853, ist außerdem als interessantes historisches Dokument in den Bayreuther Blättern‹ 1897, S. 287/88 in vollem Umfang zum Abdruck gelangt.


14 Brieflich an A. Seidl, vgl. dessen ›Erinnerungen an Robert Franz‹, Mus. Wochenbl. 1893, S. 93/94


15 Im Gegenteil: es hat über seinen Tod hinaus seinem Bilde den Zug einer gewissen verknöcherten Engherzigkeit eingeprägt, die in der ihm gewidmeten Biographie von R. Procházka förmlich zur Karikatur ausgebildet worden ist. Wir erfahren aus dieser Schrift nämlich Wunderdinge von angeblichen ›nimmermüden Lockungen der mächtigen Wagnerpartei (!), die seinen (Franz) leuchtenden Namen gar zu gern im Sterngefolge ihres Herrn und Meisters gesehen hätte‹ (!), und seinem siegreichen ›Widerstande‹ gegen diese Lockungen (!); es wird ihm darin zur besonderen Ehre angerechnet, daß ›die Ziele von Bayreuth‹, also das blutige Ringen des größten Genius um eine Freistätte für die deutsche Kunst, ihm ›zeitlebens fremdgeblieben sind‹ (!); sowie endlich irgendeine unbewachte Äußerung des gealterten Mannes ihm schmählicherweise dahin mißdeutet, als habe er (noch in seinen letzten Lebensjahren!) an einem so traurigen literarischen Produkte, wie der mit allen Spuren einer geistigen Umnachtung behafteten Broschüre Nietzsches, ›Der Fall Wagner‹ ein besonderes Wohlgefallen gefunden, resp. ihr ›die dieser Schrift und ihrem Autor zukommende Bedeutung beigelegt.‹ Siehe Procházka, ›Robert Franz‹ (16. Band der ›Musiker-Biographien‹ im Verlage von Reclam) S. 118.


16 Procházka S. 119.


17 Ebenda S. 132


18 Ebenda S. 73 und 118.


19 An Liszt I, S. 274. Gemeint ist die Folge von Artikeln des C. F. Hinrichs ›Zur Würdigung Richard Wagners‹ in der ›Neuen Zeitschrift für Musik‹ 1853, später auch als besondere Broschüre zusammengestellt (1854).


20 Procházka S. 96/97.


21 Ebenda Seite 121.


22 Ganz unmöglich; der erste Akt war nicht mehr in Wagners Händen, sondern schon zu Ostern Anfang April (S. 178), nach Leipzig abgeschickt. Schon am 2. Juli, erwähnt Wagner gegen Liszt, daß die Partitur soeben bereits gestochen werde (Briefwechsel II, S. 198); also konnte unmöglich der Dr. Härtel vierzehn Tage nach dieser Erwähnung erst das Manuskript davon sich nehmen!


23 Wagners teilnehmende Besorgnis für den alten Jugendbekannten aus der Leipziger Zeit (Stiefbruder Dorns, als Musiker keineswegs bedeutend, aber in seiner Gesinnung dem Meister stets aufrichtig ergeben, offen und Hinterhalt) war nur allzu begründet, nicht volle 6 Jahre später war Sch. nichtmehr unter den Lebenden.


24 Weißheimer, Erlebnisse S. 24/30. Verkürzt.


25 Aber die Bekanntschaft Wagners mit Erlanger war ja damals erst ganz kürzlich, vor kaum vier Wochen geschlossen, und Berlioz seinerseits ging seit halb einem Jahr nach seinem Belieben in der ihm wohlbekannten Rue Newton ein und aus! Ebenso seltsam ist der fernere Irrtum Schlössers, Berlioz sei in Paris, ›wohl der Einzige gewesen, welcher damals die Verdienste des vielverschrieenen deutschen Künstlers zu würdigen verstand!!


26 Ein Geschenk von Frau Julie Ritter bei seinem einstigen Einzug in die Züricher Zeltweg-Wohnung, wofür er ihr damals (17. Dezember 1851) seinen Dank mit den Worten zuruft: ›10000000 mal Dank für das silberne Unterpfand der wachsenden Gediegenheit meines neuen Hausstandes, der nun so ziemlich zum 20ten Male neu eingerichtet wird. Viele Freude richten Sie durch Ihre große Güte an!‹


27 Sonderbarerweise geht aus dem Eingange der Schlösserschen Erzählung, wie aus verschiedenen erläuternden Anmerkungen zu derselben, die durch mehr als zwanzig Jahre hindurch festgehaltene irrige Vorstellung des Erzählers hervor, daß er sich, irregeführt vermutlich durch eine Berliozsche mißgünstige Insinuation fest einbildete, der Meisterhabe diese angenehme Umgebung der ›Munifizenz des Baron Erlanger‹ zu verdanken, der die Villa für ihn gemietet und eingerichtet!!! (Vgl. S. 11 Anm. des gegenwärtigen Bandes!) Dabei war dem Meister von dieser Seite her damals noch nicht die mindeste faktische Erleichterung zuteil geworden! (Vgl. S. 266 und 276/77 des vorliegenden Bandes.)


28 Auch dieses kostbare Andenken war der Erzähler (Schlässer) so glücklich gewesen in seinen Jugendjahren, als ›22-jähriger Novize‹ (i.e. i. J.1822) aus den Händen Beethovens zu empfangen. Es war ein sechsstimmiger Kann auf die Worte: ›Edel sei der Mensch, hilfreich und gut‹. Als Faksimile veröffentlicht Allg. Musztg 1885, S. 200; ebendaselbst als Extrabeilage zu Nr. 21 in getreuer Nachbildung auch das Autgraph Wagners: Schluß des Vorspiels zu ›Tristan und Isolde‹ in der Bearbeitung zur ›Konzertaufführung‹.


29 Es ist natürlich das ›Beethoven-Konzert‹ im Treppenhause der Wesendonckischen Villa am 31. März 1858 gemeint; vgl. S. 177 dieses Bandes.


30 Vgl. S. 321/22 dieses Bandes.


31 Vgl. S. 352 dieses Bandes.


32 Vgl. S. 405 dieses Bandes.


33 Wir wissen nicht von einem einzigen Hunde in Penzing, dem getreuen Pohl, den Wagner sehr gern hatte und später nach München und auf fernere Lebensstationen mit sich nahm. Auf welche erdenkliche Weise sich dieser eine in drei verwandelt, deren Namen – Bianco, Nera, Pild – ausdrücklich genannt werden, ist ebenso unerklärlich, wie manches andere dieser naiven Details.


34 Der enthusiastische junge Fürst Rudolf Lichtenstein war in jenen Wienere Tagen einer der getreuesten und hochgeschätzten Verehrer des Meisters und ist es zeitlebens geblieben.


35 Natürlich handelt es sich hier um Portraits der Großfürstin Helena Pawlowna, seiner zeitweiligen Gönnerie, die er von ihr zum Andenken erhalten und denen er eine ehrenvolle Placierung in seinen Zimmern nicht versagte.


36 Es ist das aus Petersburg mitgebrachte Trinkhorn (S. 433 dieses Bandes), welches aber keineswegs ein Geschenk der Kaiserin, der auch nur der Großfürstin, sondern der Petersburger Musiker war.


37 Seite 440 dieses Bandes, Anmerkung.


38 Z.B. ›Musikal. Wochenblatt‹, 1899 Nr. 7 S. 98/99. Vgl. dazu des Verfassers Abhandlung ›Aus dem deutschen Dichterwalde‹ in den ›Bayreuther Blättern‹ 1880, S. 31. 93. 166.


39 Oesterlein, Katalog einer Wagner-Biblothek I, S. 15.


40 Band I. S. 311 u. vgl. S. 327/28 usw.


41 Briefe I, 266.


42 Ebenda III, S. 114.


Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 466-488.
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