Vierundsechzigster Anuvâka (Atharva-Rez. 25).

[259] Der Wissende ist vom Werkdienste befreit. Da aber die Schrift verlangt, dass das Agnihotram das ganze Leben durch (yâvaj-jîvam) dargebracht werde, so wird, um dieser Vorschrift Genüge zu leisten, hier das Leben selbst des Wissenden zu einem Opfer umgedeutet. Über Einzelnes und verwandte Stellen vgl. Ça kara zu Brahmasûtra 3,3,24 (S. 583 fg. meiner Übersetzung).


1. Von dem Opfer des solches Wissenden ist sein Selbst der Opferspender, sein Glaube die Gattin, sein Leib das Brennholz, seine Brust das Opferbett, seine Haare die Opferstreu, der Opferbesen sein Haarbusch, sein Herz der Opferpfosten, seine Liebe das Opferschmalz, sein Eifer das Opfertier, seine Askese das Feuer, seine Bezähmung der Schlächter, .... der Opferlohn, seine Rede der Hotar, sein Odem der Udgâtar, sein Auge der Adhvaryu, sein Manas der Brahmán, sein Ohr der Agnîdh. 2. Solange er getragen wird [im Mutterleibe, oder geistig vom Lehrer, Atharvav. 11,5,3, Gesch. d. Phil. I, 279], das ist die Weihe; dass er isst, das ist die Opferspende; dass er trinkt, das ist sein Somatrinken; dass er[259] sich vergnügt, das ist die Upasad-Feier59; dass er einhergeht, sich setzt und aufsteht, das ist der Pravargya; sein Mund ist das Âhavanîyafeuer, sein Sprechen der Opferguss, sein Erkennen das was er opfert. Was er abends und morgens isst, das [muss man ansehen] als das Brennholz, was er morgens, mittags und abends [trinkt], das als die Somakelterungen. 3. Sein Tag und seine Nacht sind die Voll- und Neumondsopfer, seine Halbmonate und Monate die Viermonatsopfer, seine Jahreszeiten die Tieropfer, seine Jahre und Jahresläufe sind die Tageszyklen, oder auch sie sind das Allhabe-Sattram60, sein Sterben ist das Schlussbad.

4. Dieses, fürwahr, ist sein bis zu Alter und Tod dauerndes Agnihotram, sein Sattram. Wer, solches wissend, beim Nordwärtsgange [der Sonne] stirbt, der geht ein zu der Majestät der Götter und gelangt zur Gemeinschaft mit der Sonne; und wer beim südlichen [Sonnengange] stirbt, der geht ein zu der Majestät der Väter und erlangt mit dem Monde Gemeinschaft und gleiche Welt. Diese beiden Majestäten, fürwahr, der Sonne und des Mondes, erwirbt der wissende Brahmane. Von da aus erlangt er die Majestät des Brahmán (masc)., – von da aus die Majestät des Brahmán.

So lautet die Upanishad.

Fußnoten

1 Çvet. 4,11.


2 Vgl. Ṛigv. 1,164,39.


3 Vgl. Ṛigv. 1,164,39.


4 Vgl. Taitt. Br. 3,12,9,7.


5 Vgl. Ṛigv. 1,164,13.


6 Vâj. Samh. 32,1.


7 Vâj. Samh. 32,2a. Zum Gedanken vgl. oben S. 208, Anm.


8 Der unerwartete Imperativ stammt aus Vâj. Samh. 27,45.


9 Vâj. Samh. 32,2b.


10 Vgl. Vâj. Samh. 32,3.


11 Kâṭh. 6,9. Çvet. 4,20; vgl. Çvet. 4,17. 3,13.


12 Das Uttaranârâyaṇam, nicht wiederholt, weil schon Taitt. Âr. 3,13 (= Vâj. Samh. 31,17-22) vorgekommen. Siehe die Übersetzung Gesch. d. Phil. I, 290.


13 Die ersten acht Verse des Hiraṇyagarbha-Liedes (Ṛigv. 10,121,1-8), nicht wiederholt, weil schon Taitt. Samh. 4,1,8 vorgekommen. Die Übersetzung Gesch. d. Phil. I, 132.


14 Vâj. Samh. 32,4, wo pratya janâs (lies janâṅs) statt des leichtern pratya mukhas (so mit der Ath. Rez. zu lesen).


15 Ṛigv. 10,81,3 (Gesch. d. Phil. I, 136), bis auf einige schlechtern Lesarten.


16 Vers 15-19 sind Vâj. Samh. 32, v. 8-10. 12. 11, mehr oder weniger entstellt (die Übersetzung Gesch. d. Phil. I, 294).


17 Ṛigv. 1,18,6.


18 Sâyaṇa's Erklärung, mit den nötigen Verbesserungen, lautet: »yad«, yadi, »huve (so statt yuve) huve«, – ha-kâro vyatyayena ya-kâra-sthâne paṭhitaḥ, ata' eva kecid »yuve yuve« iti paṭhanti, – yaumi yaumi, punaḥ punaḥ pâdam asidhârayâ miçrâmi, iti arthaḥ, tadânîm na aham (so statt tadânîm aham) »vihvadishyâmi« kartam vâ patishyâmi, – aham, iti etam artham »ha« çabdo brûte; la-kâra-sthâne vyatyayena da-kâraḥ, – asidhâ-râyâm pâdasya dṛiḍhasparçe 'pâdachede (so ist zu trennen), na aham vihvalito, vivaço bhavishyâmi; dṛiḍhasparça-abhâve tu adhovartini agâdhe garte patishyâmi. »Wenn ich nur sicher trete, sicher trete, d.h. immer wieder und wieder den Fuss auf die Schwertschneide aufsetze, dann werde ich nicht »turkeln« oder in die Grube fallen, d.h. wenn auf der Schwertschneide der Fuss fest auftritt und ohne dass der Fuss abgleitet, so werde ich nicht taumeln, die Herrschaft über mich verlieren; wenn aber das feste Auftreten fehlt, so werde ich in die unten befindliche tiefe Grube stürzen.« (Die Atharva-Rez. hat die Stelle verwischt).


19 Der Spruch war in einer mehr theologischen (akratum, dhâtuḥ prasâdât, mahimânam îçam) und in einer mehr philosophischen Fassung (mit akratuḥ, dhâtu-prasâdât, mahimânam âtmanas) im Umlauf. Erstere bietet unsre Stelle und Çvet. 3,20, letztere (nach Ça kara's Lesung) Kâṭh. 2,20, woselbst man sehe.


20 Muṇḍ. 2,1,8 bietet den Vers mit bessern Lesarten. Die sieben Organe (Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund) sind sieben Flammenzungen, denen die entsprechenden Objekte als Brennhölzer, oder als ihre Welten, gegenüberstehen.


21 Muṇḍ. 2,1,9 (wo statt bhûtas besser bhûtais, wie auch die Atharva-Rez. hat).


22 Ṛigv. 9,96,6, mit verändertem Sinn. Vielleicht das Vorbild von Bhag. G. 10,21 fg.


23 Dieser Vers, in welchem die Grundelemente der Sâ khyalehre (prakṛiti, drei guṇa's, purusha) schon deutlich hervortreten, wird von Ça kara (zu Brahmasûtra 1,4,8-10) nicht nach unsrer Stelle, sondern nach Çvet. 4,5 zitiert.


24 Ṛigv. 4,40,5. Mit dem Zusätze bṛihat zuerst Vâj. Samh. 10,24. 12,14, und so, ausser unsrer Stelle und Taitt. Âr. 10,50,1, Kâṭh. 5,2, Nṛisiṅhap. 3,1. Dem Sinne nach wie v. 4: »Brahman ist das Edelste in allem«.


25 Vâj. Samh. 8,36 (verändert). Die Erklärung siehe Gesch. der Philosophie I, 191.


26 Çvet. 3,4. 4,12 (verändert).


27 Çvet. 3,9 (wörtlich).


28 Vgl. Kaivalya-Up. 2-3.


29 Muṇḍ. 3,2,6. Kaivalya 3-4.


30 D.h. von der Prakṛiti, parâmṛitât. Die Atharva-Rez. sowie die Parallelstellen haben parâmṛitâḥ.


31 Die Rückbeziehung dieses Verses auf Chând. 8,1 ist wohl unzweifelhaft.


32 Bei der Meditation zergeht, wie die ganze übrige Welt, auch der Laut Om: a (Virâṭ) schmilzt in u (Hiraṇyagarbha), u in m (Mûlaprakṛiti), m in der imaginären vierten Mora des Lautes Om, welche Maheçvara (Çiva) ist (Sâyaṇa).


33 Ṛigv. 10,90,1; viçvâksha statt sahasrâksha, weil zu tausend Häuptern zweitausend Augen gehören würden. Aus demselben Bedenken ändert Atharvav. 19,6,1 sahasraçîrsha in sahasrabâhu.


34 Vgl. Ṛigv. 10,90,2: purusha' eva idam sarvam.


35 Nârâyaṇa ist nicht der unerkennbare Urgrund, sondern dieser als höchstes Objekt der Erkenntnis, d.h. der Erstgeborne der Schöpfung, Hiraṇyagarbha. Vgl. mit mahâjñeya die buddhi = mahat der Sâ khya's.


36 Anspielung auf das paro divo jyotis, Chând. 3,13,7.


37 Die Scheidung in dhyâtar und dhyânam (Subjekt und Objekt) hat noch nicht in dem Urwesen, sondern erst in Nârâyaṇa als Erstgebornem statt.


38 vyâpya ist beides.


39 vyâpya ist beides.


40 Nach Sâyaṇa ist das Meer des Samsâra gemeint. Die Atharva-Rez. wie auch Mahâ-Up. 3 (p. 95) lesen samudra-itam.


41 Vgl. Chând. 8,1,1; die Atharva-Rez. Hat: »ein Hohlraum, lotoskelchähnlich«.


42 Ausdeutung des daçâ gulam, Ṛigv. 10,90,1 (vgl. Gesch. d. Phil. I, 152) Genauer ist eine vitasti = einem dvâdaçâ gula (Amara, 2,6,84).


43 Ausgemalt nach Bṛih. 4,3,7: hṛidi antarjyotiḥ purushaḥ; Kâṭh. 4,13: jyotir iva adhûmakaḥ.


44 tasya ante sushiram sûkshmam, nach Chând. 8,1: daharo' smin antar âkâçaḥ.


45 Die nun folgende Schilderung des Herzensfeuers beruht auf einer Kombination von Bṛih. 5,9,1 und Chând. 3,13,7-8. Aus ersterer Stelle ist das Merkmal der Nahrungsassimilation, aus letzterer das der Körpererwärmung entnommen.


46 Die letzten acht Zeilen (10c-12b) werden zitiert Vâsudeva-Up. 3,1-2.


47 Die Worte sa Hariḥ sind metrisch überschüssig, fehlen in der Atharva-Rez. und werden nicht von Sâyaṇa, wie die übrigen, erklärt. Sollten sie zu halten sein, so hätten wir hier vielleicht die älteste Stelle, in welcher der indische trimûrti, d.h. »der dreigestaltige« Gott (Brahmán, Vishṇu, Çiva), vorkommt.


48 Zusatz der Atharva-Rez. in Prosa: »Nunmehr der Yoga: meine Zunge ist Süsses redend, ich bin nicht in der Zeit, sondern bin die Zeit selbst«.


49 Vgl. über diese Vorstellung Gesch. d. Phil. I, 133. 207. 210 fg.


50 Sie ist, wie Fichte sagen würde, »das versinnlichte Material der Pflicht«.


51 Nach Sâyaṇa Âruṇi, Sohn des Prajâpati und der Suparṇâ; besser wohl: der Sohn des Aruṇa Suparṇa (im Ṛigveda Bezeichnung der Sonne) und Nachkomme des Prajâpati.


52 Vgl. Ṛigv. 10,107,7: dakshiṇâm varma kṛiṇute vijânan.


53 Devayânaḥ panthâḥ, hier nicht, wie sonst immer in den Upanishad's (Kaush. 1,3. Chând. 5, 3-10, vgl. 4,15,6. Bṛih. 6,2. Muṇḍ. 3,1,6), der Weg der Seele zu Brahman, sondern, wie öfter im Ṛigveda, der Weg des Agni zu den Göttern.


54 Vgl. über dasselbe oben S. 146.


55 Vgl. Anuvâka 14, oben S. 253. Die weiter folgende Verherrlichung des Brahman als des durch die Entsagung erreichten Zieles ist, wie es scheint, aus verschiedenartigen Reminiszenzen zusammengestoppelt. Dass Prajâpati der Redende ist, scheint dabei ganz vergessen zu werden.


56 Dem Verfasser mochte wohl die Stufenfolge Chând. 7 hier vorschweben.


57 Die Rückbeziehung des Folgenden auf Taitt. 2 ist unzweifelhaft.


58 Statt dieser Verse (es liegen hier überall zertrümmerte Verse zugrunde) hat die Atharva-Rez. den ebenfalls sehr schönen, nur hier nicht recht passenden Gedanken: jijñâsâsaktipûritam jârayishṭhâs, »was von Erkenntnisdrang erfüllt, lass welken!«


59 upasada als masc. wie Chând. 3,17,2, woher mit der Form auch der Gedanke stammen mag.


60 Eine Opferfeier, bei welcher man (vielleicht nur symbolisch) seine ganze Habe an die Brahmanen schenkte. Ein Beispiel bietet der Eingang der Kâṭhaka-Upanishad.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 259-260.
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