1. Kapitel. Die ethische Periode.

  • [131] Literatur: FR. SUSEMIHL, Geschichte der Literatur in der Alexandrinerzeit. Leipzig 1891 u. 92.
    DROYSEN, Geschichte des Hellenismus, Hamburg 1836-1843.

Dem Zuge der Zeit, welcher die Wissenschaft teils in ethische Philosophie teils in gelehrte Forschung verzweigte, folgten schon die Schulen der beiden großen Meister der attischen Philosophie: die akademische und die peripatetische. Wenn in der ersten, mit Aristoteles gleichaltrigen Generation der Akademie (vgl. S. 84) eine pythagoreisierende Metaphysik vorgewaltet hatte (vgl. oben § 11, 5), so machte diese schon in der nächsten Zeit populärem Moralisieren Platz. Im Lyceum hielt zwar Theophrastos und nach ihm Straton an der Ausbildung und Umbildung der aristotelischen Metaphysik fest; aber wie Theophrast selbst, so wendeten sich seine Genossen, ein Dikaiarchos, Aristoxenes und andere, literargeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Studien zu. Später haben gerade die Peripatetiker an der alexandrinischen Gelehrsamkeit einen großen Anteil gehabt, und insbesondere hat die Geschichte der Philosophie an ihnen die fleißigsten Bearbeiter gefunden. In der Philosophie selbst aber spielten sie nur die konservative Rolle ihr Schulsystem gegen den Anlauf der übrigen, namentlich auf dem ethischen Gebiete, zu verteidigen, und die Neuausgabe der aristotelischen Werke durch Andronikos gab nur erneuten Anlaß zu einem eifrigen Reproduzieren der Lehre: Paraphragen, Kommentare, Exzerpte, Interpretationen bilden die wesentliche Beschäftigung der späteren Peripatetiker.[131]

Die Wirkung der Akademie und des Lyceums wurde aber in Athen zunächt durch die beiden neuen Schulen beeinträchtigt, die gegen Ende des 4. Jahrhunderts gegründet wurden und ihren großen Erfolg dem Umstande verdankten, daß sie die Richtung der Zeit auf praktische Lebensweisheit mit der Deutlichkeit und Eindringlichkeit der Einseitigkeit zum Ausdruck brachten: die stoische und die epikureische.

Die erstere wurde von Zenon von Kition in der Stoa poikilê errichtet und hatte bei ihm wie bei seinem Nachfolger Kleanthes noch mehr Aehnlichkeit mit dem Kynismus: erst dem dritten Schulhaupt, Chrysippos, gelang es, die Schule in entschieden wissenschaftliche Bahnen zu lenken. Epikuros dagegen gründete eine Lebensgemeinschaft, welche das hedonische Prinzip in verfeinerter und vergeistigter Form zu ihrem Mittelpunkt machte, aber nur ein geringeres Maß von wissenschaftlicher Schaffensfähigkeit entwickelte. Während ihr gesellig ethisches Prinzip, wie es einmal festgestellt war, und die damit zusammenhangende Weltanschauung durch das ganze Altertum hindurch und besonders auch in der römischen Welt fortgesetzt zahlreiche Anhänger gewannen, blieb die Schule wissenschaftlich, und zwar in den Spezialwissenschaften ebenso wie in der Philosophie entschieden unfruchtbarer, als die übrigen: eine interessante Darstellung hat ihre Lehre durch den römischen Dichter Lucretius gefunden.

Diese vier Schulen haben jahrhundertelang in Athen nebeneinander bestanden und sind noch in der Kaiserzeit, als dort eine Art von Universität geschaffen wurde, in verschiedenen Lehrstellen aufrecht erhalten worden; doch läßt sich eine Reihenfolge der Schulhäupter nur in der Akademie, und auch da nur mit großen Lücken, verfolgen, während die Tradition hinsichtlich der Stoa und der Epikureer schon mit dem 1. Jahrhundert v. Chr. und auch hinsichtlich des Lyceums bald darauf abreißt.

Zunächst aber haben diese vier Schulen im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. sich gegenseitig auf das lebhafteste bekämpft, und es waren hauptsächlich die ethischen und nur die mit diesen zusammenhangenden metaphysischen, physischen und logischen Fragen, in denen sie einander den Rang abzulaufen suchten293.

Neben den dogmatischen Lehren ging während der ganzen Zeit eine andere Richtung einher, welche in noch höherem Grade als die stoische und die epikureische Philosophie aus der Sophistik stammte: der Skeptizismus. Er nahm. zwar nicht die Gestalt einer eigenen Schulgenossenschaft an, fand aber gleichfalls eine systematische Zusammenfassung und eine ethische Zuspitzung. Eine solche zeitgemäße Konzentration der negativen Ergebnisse der Sophistik vollzog Pyrrhon, dessen Lehren von Timon dargestellt wurden. Dieser sophistische Skeptizismus hatte den Triumph, eine Zeitlang von dem Haine Platons Besitz zu ergreifen: die mittlere Akademie machte ihn, wenn nicht völlig zu ihrer Lehre, so doch zu ihrem Kampfmittel in der Bestreitung des Stoizismus und der Begründung ihrer eigenen Moral. Aus dieser Phase der Entwicklung der Akademie treten, durch etwa ein Jahrhundert getrennt, die Schulhäupter Arkesilaos und Karneades hervor. In der[132] Folgezeit, als die Akademie den Skeptizismus wieder abstieß, fand er hauptsächlich bei den empiristischen Aerzten Anklang, von denen schon zu Ende dieser Periode Ainesidemos und Agrippa zu nennen sind. Eine vollständige Zusammenstellung der skeptischen Lehren aus viel späterer Zeit ist in den Werken des Sextus Empiricus erhalten.

Die tiefere Bedeutung jedoch dieses Skeptizismus war die, daß er die Grundstimmung zum Ausdruck brachte, welche die gesamte antike Zivilisation eben so wie dereinst die griechische, ihrem eigenen ideellen Inhalt gegenüber ergriffen hatte: und derselbe Mangel an dem Mut entschlossener Ueberzeugung fand nur eine andere Form in dem Eklektizismus, der sich seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zu entwickeln begann. Mit der Ausbreitung der Schulen in die großen Lebensverhältnisse des Römerreiches schwand der Schulgeist, erlahmte die Polemik und stellte sich vielmehr das Bedürfnis der Ausgleichung und Verschmelzung ein. Insbesondere bildete die teleologische Weltanschauung die Grundlage, auf der sich Platonismus, Aristotelismus und Stoizismus in gemeinsamer Gegnerschaft gegen den Epikureismus verständigen konnten.

Die Neigung zu solcher Verschmelzung, dem Synkretismus, ist zuerst in der stoischen Schule erwacht und hat in Panaitios und Poseidonios ihre wirkungsvollsten Vertreter gefunden: sie gestalteten die Lehre der Stoa durch Aufnahme platonischer und aristotelischer Momente allseitiger aus. Dabei kam ihnen die jüngere Akademie entgegen, die, nachdem Philon von Larissa

der skeptischen Episode in der Schulentwicklung ein Ende bereitet hatte, durch Antiochos den Versuch machte, die vielgespaltene Philosophie auf diejenigen Lehren zu vereinigen, in denen Platon und Aristoteles zusammenkommen.

Unbedeutender, weil prinziploser, aber darum historisch nicht weniger bedeutsam war diejenige Art des Eklektizismus, welche die Römer in der Aufnahme der griechischen Philosophie betätigten, – die Zusammenstückelung nämlich, mit der sie unter wesentlich praktischen Gesichtspunkten aus den verschiedenen Schulsystemen die ihnen einleuchtenden Lehren aneinander reihten: so geschah es bei Cicero, Varro und zum Teil in der Gruppe der Sextier.

Aus der peripatetischen Schule (dem Lyceum) ist zunächst ihr Mitbegründer, der wenig jüngere Freund des Aristoteles, Theophrastos von (Erebos auf) Lesbos (etwa 370-287), zu erwähnen, der durch Lehre und Schriften der Schule großes Ansehen gewann, ein eindrucksvoller und einflußreicher Typus des Kathedergelehrten. Von seinen Werken sind die botanischen, dazu ein Bruchstück der Metaphysik, Auszüge aus seinen »Charakteren«, aus der Schrift über die Wahrnehmung, aus seiner Geschichte der Physik und sonst einzelnes erhalten (herausgegeben von F. WIMMER, Breslau 1842-62).

Neben ihm erscheinen Eudemos von Rhodos, Aristoxenos von Tarent, der historisch und theoretisch über Musik arbeitete (Elemente der Musik, deutsch von R WESTPHAL, Leipzig 1883), Dikaiarchos von Messene, ein gelehrter Polyhistor, der eine Kulturgeschichte Griechenlands (bios Hellados) schrieb, sodann Straton von Lampsakos, der 287-269 Schulhaupt war und den Beinamen des »Physikers« führt.

Unter den peripatetischen Doxographen sind Hermippos, Sotion, Satyros, Herakleides Lembos (aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.), unter den späteren Kommentatoren ist Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr. in Athen) zu nennen.


Die mittlere Akademie beginnt mit Arkesilaos (Arkesilas) aus Pitane in Aeolien (etwa 315-241), dessen Lehren sein Schüler Lakydes verzeichnete, und endigt mit Karneades (155 in Rom) und dessen Nachfolger Kleitomachos (gest. 110). Von ihren Schriften ist nichts erhalten, Quellen sind neben Diogenes von Laerte hauptsächlich[133] Cicero und Sextus Empiricus. Vgl. L. CREDARO, Lo scetticismo degli academici (Mailand 1889 und 93).

Ebenso indirekt und zudem nur ganz im allgemeinen sind wir über die jüngere Akademie unterrichtet. Philon von Larissa war noch 87 in Rom; seinen Nachfolger Antiochos von Askalon hörte Cicero 78 in Athen. Zu den Vertretern des eklektischen Platonismus in dieser ersten, wesentlich ethischen Gestalt gehört u. a. Areios Didymos, der stark zum Stoizismus neigte (zur Zeit des Augustus), und Thrasyllos (unter Tiberius) der sachlich geordnete Ausgaben der Schriften von Demokrit und von Platon veranstaltete. Auch in der Akademie hat sich eine ausgebreitete paraphrastische und kommentatorische Literatur über Platons Werke entwickelt.


In der Geschichte der Stoa ist eine ältere (vorwiegend ethische), eine mittlere (synkretistische) und eine jüngere (religiöse) Periode zu unterscheiden. Bei den Persönlichkeiten dieser Schule fällt die Häufigkeit ihrer Abstammung aus den hellenistischen Mischvölkern des Orients auf. So ist schon der Gründer Zenon (etwa 340-265) aus seiner kyprischen Heimat als Kaufmann nach Athen gekommen und soll dort, durch die Philosophie gefesselt, die Lehren der verschiedenen Schulen in sich aufgenommen haben, um dann im Jahre 308 die eigene zu stiften. Sein Hauptschüler war Kleanthes aus Assos (in Troas), von dem ein monotheistischer Hymnus auf Zeus erhalten ist, Stob. Eklog. I 30 (WACHSMUTH p. 25), Das wissenschaftliche Haupt der Schule war Chrysippos (280-209) aus (Soloi oder Tarsos in) Kilikien, er soll außerordentlich viel geschrieben haben, doch sind außer den Titeln nur ganz geringe Fragmente seiner Werke erhalten. Vgl. G. BAGNET (Loewen 1822). Unter den literarhistorischen Gelehrten der stoischen Schule sind Ariston von Chios, Diogenes der Babylonier (155 in Rom) und Apollodoros zu nennen; auch Aristarchos und Eratosthenes standen der Schule nahe.

Die synkretistische Entwicklung der Stoa hat Panaitios (180-110), der stark von der akademischen Skepsis beeinflußt war und nahe Beziehungen zu den römischen Staatsmännern unterhielt, begonnen und Poseidonios, aus dem syrischen Apamea (etwa 175-90), vollendet. Der letztere war einer der größten Polyhistoren des Altertums, namentlich auf geographisch-geschichtlichem Gebiete; er lehrte in Rhodos und wurde viel von den jungen Römern, auch von Cicero, gehört.

Ueber die Stoiker der Kaiserzeit vgl. das folgende Kapitel.

Die zerstreuten Quellen für den älteren Stoizismus sind jetzt gesammelt von H. V. ARNIM, Stoicorum veterum fragmenta (3 Bde. Leipzig 1903-1905).

D. TIEDEMANN, System der stoischen Philosophie (3 Bde., Leipzig 1776). – P. WEIGOLDT, Die Philosophie der Stoa (Leipzig 1883). – P. OGEREAU, Essay sur le système philosophique des Stoiciens (Paris 1885). – L. STEIN, Die Psychologie der Stoa (2 Bde., Berlin 1886-88). – R. HIRZEL, Untersuchungen zu Ciceros philos. Schriften Bd. 2. (Leipzig 1880). – A. SCHMEKEL, Die mittlere Stoa (Berlin 1892). – A. DYROFF, Die Ethik der alten Stoa (Berlin 1897). – P. BARTH, Die Stoa (Stuttgart 1903, 2. Aufl. 1908).


Epikuros (341-270), in Samos als Sohn eines athenischen Schulmeisters geboren hatte schon in Mytilene und Lampsakos Lehrversuche gemacht, ehe er 306 in Athen die Genossenschaft gründete, die nach seinen »Gärten« (kêpoi, horti, wie auch die andern Schulen nach ihren Versammlungsorten) benannt worden ist. Er war ein ob seiner geselligen Vorzüge viel geliebter Lehrer, eine feine und geschmackvolle Persönlichkeit, das Ideal attischer Urbanität; die Schönheit zum Prinzip der Lebensführung zu erheben und sie für das persönliche Dasein sicher zu stellen, ist der Springpunkt seines Wesens und seiner Lehre. Von seinen zahlreichen leicht hingeworfenen Schriften sind die Kernsprüche (kyriai doxai), drei Lehrbriefe, Stücke aus seiner Schrift peri physeôs (in den herculanensischen Funden) und sonst nur verstreute Fragmente erhalten; gesammelt und systematisch geordnet bei H. USENER, Epicurea (Leipzig 1887).

Unter der großen Masse seiner Anhänger hebt das Altertum seinen nächsten Freund Metrodoros von Lampsakos, ferner Zenon von Sidon (um 150) und Phaedrus (um 100 v. Chr.) hervor; eine etwas deutlichere Gestalt ist für uns Philodemos aus (Gadara in) Koilesyrien dadurch geworden, daß ein Teil seiner Schriften in Herculanum aufgefunden worden ist (Herculanensium voluminum quae supersunt, erste Serie Neapel 1793 ff., zweite 1861 ff.): die wertvollste peri sêmeiôn kai sêmeiôseôn (vgl. FR. BAHNSCH, Lyck 1879; H. v. ARNIM, Philodemea, Halle 1888).

Das Lehrgedicht des Tit. Lucretius Carus (98-54) De natura rerum (6 Bchr) ist von LACHMANN (Berlin 1850) und JAC. BERNAYS (Leipzig 1852) herausgegeben worden. Vgl. R. HEINZE, Kommentar zum 3. Buch (Leipzig 1897).

Weitere Quellen sind Cicero und Diogenes Laertius im 10. Buche.

Vgl. M. GUYAU, La morale d'Epicure (Paris 1878). – P. v. GIZYCKI, Ueber das[134] Leben und die Moralphilosophie des Epikur (Berlin 1879). – W. WALLACE, Epicureanism. (London 1880). – I. BRUNS, Lucrezstudien (Freiburg i. B. 1884).


Der Skeptizismus tritt der Sache gemäß nicht als geschlossener Schulverband auf294, sondern in loserer Form. Es bleibt zweifelhaft, ob der Systematisator der Skepsis, Pyrrhon von Elis (etwa 365-275), mit der sokratisch-sophistischen Schule seiner Vaterstadt im näheren Zusammenhange gestanden hat: ein gewisser Bryson, der als Schüler Stilpons gilt, wird als Zwischenglied angesehen. Er hat mit einem Demokriteer namens Anaxarchos den Zug Alexanders nach Asien mitgemacht. Von Pyrrhons Standpunkt aus hat der Sillograph Timon von Phlius (320-230, zuletzt in Athen) die Philosophen verspottet. Fragmente bei C. WACHSMUTH, De Timone Phliasio (Leipzig 1859). Vgl. CH. WADDINGTON, Pyrrhon (Paris 1877).

Die äußeren Verhältnisse des späteren Skeptizismus sind sehr dunkel und unsicher: Ainesidemos aus Knossos hat in Alexandrien gelehrt und eine Schrift Pyrrhôneioi logoi, verfaßt von der nichts übrig ist. Sein Leben fällt wahrscheinlich in das 1. Jahrhundert v. Chr. Geburt, doch ist es auch fast zwei Jahrhunderte später gesetzt worden. Von Agrippa ist gar nichts näheres festzustellen. Der literarische Vertreter des Skeptizismus ist der Arzt Sextus Empiricus, welcher um 200 n. Chr. lebte, und von dessen Schriften die Pyrrhonischen Skizzen (Pyrrhôneioi hypotypôseis) und die unter dem Namen »Adversus mathematicos« zusammengefaßten Untersuchungen erhalten sind, von denen Buch 7-11 die Darstellung der skeptischen Lehre mit vielen wertvollen historischen Notizen geben (Ausgabe von I. BEKKER, Berlin 1842). Vgl. E. PAPPENHEIM (Berlin 1874 f., Leipzig 1877 u. 81).

Vgl. E. STÄUDLIN, Geschichte und Geist des Skeptizismus (Leipzig 1794-95). – N. MACCOLL, The greek sceptics (London 1869). – L. HAAS, De philosophorum scepticorum successionibus (Würzburg 1875). – V. BROCHARD, Les sceptiques grecs (Paris 1887). – RAOUL RICHTER, Der Skeptizismus in der Philosophie, Bd. I (1904). – ALB. GOEDECKEMEYER, Die Geschichte des griechischen Skeptizismus (Leipzig 1905).


Bei den Römern stieß die Aufnahme der Philosophie anfangs auf heftigen Widerstand, aber schon im Anfange des 1. Jahrhunderts v. Chr. war es allgemein üblich, daß der vornehme junge Römer in Athen oder Rhodos studierte und den Vortrag der Schulhäupter zu demselben Zwecke hörte, wie einst der Athener die Sophisten. Aus der Absieht, für die allgemeine wissenschaftliche Bildung bei seinen Landsleuten Neigung und Verständnis zu erwecken, ist die schriftstellerische Tätigkeit des Marc. Tullius Cicero (106-43) zu beurteilen und hochzuschätzen: Geschick der Zusammenstellung und Amnut der Form entschädigen für den Mangel eigener Kraft des Philosophierens, der sich in prinziploser Auswahl der Lehren erweist: am nächsten steht Cicero dem akademischen Probabilismus (vgl. unten § 17, 7). Die Hauptschriften sind De finibus De officiis, Tusculanae disputationes, Academica, De natura deorum, De fato, De divinatione. Vgl. HERBART, Ueber die Philosophie des Cicero; in Ges. W. XII, 167 ff. R. HIRZEL Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften (Leipzig 1877-83). ED. SCHWARTZ, Charakterköpfe aus der antiken Literatur (Leipzig 1906), S. 99 ff.

Gelehrter war sein Freund M. Terentius Varro (116-27), der bekannte Polyhistor und Vielschreiber, von dessen Arbeiten zur Geschichte der Philosophie aber nur gelegentliche Notizen erhalten sind.

Als Sextier werden die beiden Quintus Sextus, Vater und Sohn, und Sotion von Alexandria genannt: der letztere scheint das Zwischenglied zu sein, durch welches die stoische Moral mit dem alexandrinischen Pythagoreismus versetzt und zu der religiösen Wendung geführt wurde, die sie in der Kaiserzeit charakterisiert. Einige ihrer (in syrischer Uebersetzung aufgefundenen) Sentenzen hat GILDEMEISTER (Bonn 1873) herausgegeben.

Als Vertreter eines populären moralischen Eklektizismus sind die dem Kynismus mehr oder minder nahestehenden Sittenprediger zu nennen, welche mit derber und herber Kritik die sozialen und moralischen Zustände der hellenistischen und später der römischen Welt geißelten; unter ihnen Teles (vgl. v. WILAMOWITZ-MÖLLENDORFF, Philologische Untersuchungen IV 292 ff.; Fragmente herausgegeben von O. HENSE, Freiburg 1889, neue Auflage Tübingen 1909), sodann Bion von Borysthenes (vgl. R. HEINZE, De Horatio Bionis imitatore, Bonn 1899), aus späterer Zeit Demetrius, Oinomaos und Demon ax. Vgl. J. BERNAYS, Lukian und die Kyniker (Berlin 1879). In diesem Zusammenhange ist schließlich auch Dio Chrysostomos zu nennen. Vgl. H. v. ARNIM, Dion von Prusa (Berlin 1898).[135]

Quelle:
Wilhelm Windelband: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Tübingen 61912, S. 131-136.
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