Affect

[153] Affect (v. lat.), schnell entstehende, lebhafte, ein bemerkliches Streben durch Aufhebung des Gleichgewichts im Gemüth hervorbringende, auf die Functionen des Geistes u. Körpers sichtbaren Einfluß habende Gemüthsbewegung. A. entsteht, wenn eine Vorstellung mit einleuchtender Klarheit unserm Streben entspricht od. widerspricht. Seine Lebhaftigkeit u. Dauer hängt von der Vorstellung, welche ihn erregt, u. von dem Interesse, welches diese für uns hat, von Temperament u. Einbildungskraft ab, u. der A. kann sich, von der kaum merklichen Störung des gemüthlichen Gleichgewichts, durch viele Abstufungen hindurch zur blinden, die Vernunft überwältigenden Heftigkeit, zur momentanen Erstarrung der psychischen u. somatischen Kräfte, ja selbst zur tödtlichen Lähmung der Nervenkraft steigern. Ihrer Natur nach sind die A-e angenehme, unangenehme u. gemischte; ihrer Wirkungsart nach erregende od. niederdrückende (vgl. Gemüthsbewegungen); erstere bewirken eine Steigerung der Lebensthätigkeiten u. der von ihnen abhängigen körperlichen u. geistigen Verrichtungen, die bei höheren Graden durch Überreizung in Erschlaffung übergehen kann; letztere gleich von Anfang eine allgemeine Herabstimmung der organischen Kräfte, die sich auch äußerlich durch Blässe u. Erschlaffung zu erkennen gibt. Aber nicht nur quantitativ wirken die A-e auf den Organismus, sondern auch qualitativ, indem sie die wichtigsten Veränderungen in der Beschaffenheit der Absonderungen verursachen, wie z.B. die Milch der säugenden Mutter durch heftigen Ärger in Gift für den Säugling verwandelt wird. Für die Rechtswissenschaft ist der A. insofern wichtig, als er oft die Veranlassung zur Begehung von Rechtsverletzungen u. Verbrechen bietet. Hat der A. einen solchen Grad erreicht, daß er alles Bewußtsein aufhob, so kann den in diesem Zustande Handelnden eine Verantwortung nicht treffen, weil er als unzurechnungsfähig zu gelten hat. Darauf, ob die Entstehung des A. seinem Motive nach (z.B. beim Zorn) eine ungerechte war, kann dann nichts ankommen. Hat der A. aber nicht einen so hohen Grad erreicht, so bildet er doch hier bei Beurtheilung der Strafbarkeit der während der Aufwallung beschlossenen u. begangenen Handlung einen wesentlichen Milderungsgrund, den auch die neueren Gesetze durchweg als solchen anerkennen, so in Österreich, Hannover, Großherzogthum Hessen, Baden, Königreich Sachsen. Auf derselben Rücksicht beruht auch schon für das gemeine Criminalrecht der Unterschied zwischen dem minder strafbaren Todtschlag u. dem Mord.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 153.
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