Anomălie

[535] Anomălie (v. gr.), 1) Abweichung od. Ausnahme von der sonst geltenden Regel, od. selbst Widerspruch wider die Regel; 2) (Rechtsw.), bei der Rechtsprechung entstehen A-n, wenn gleichartige Fälle von demselben Richter in verschiedener Weise behandelt werden. Sammlungen der Entscheidungen, besonders der von den Obergerichten ertheilten, Präjudicienbücher etc. bieten hier die Abhülfe. 3) (Grammat.), Abweichung von der Regel in der Form, s. Anomal; 4) (Pathol.), jede Abweichung von der Norm in der Mischung, der Lage der einzelnen Theile u. den Verrichtungen des Körpers (vgl. Abnormität); 5) in Krankheiten Vorgänge, die dem gewöhnlichen Charakter u. Verlaufe derselben nicht entsprechen; 6) (Astron.), der Winkel, welchen der bis zu einem Planeten od. Kometen gezogene Leitstrahl (Radius vector) mit der großen Axe der elliptischen Bahn bildet, u. die wahre A. heißt. Die mit 560° multiplirte, seit der Sonnennähe verflossene Zeit, dividirt durch die Umlaufszeit des Planeten, heißt dessen mittlere A. Die wichtige, von Kepler zuerst vorgelegte Aufgabe, die wahre A. für jeden Zeitpunkt zu bestimmen, heißt das Keplersche Problem, dessen Auflösung mit Hülfe der excentrischen A. geschieht, während in einer parabolischen Bahn die wahre A. weit leichter gefunden wird.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 535.
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