Gleichen [4]

[399] Gleichen, Graf Ernst, machte den Kreuzzug von 1227 mit, gerieth in türkische Sklaverei, wurde dort als Gärtner gebraucht u. knüpfte mit Melechsala, der schönen Tochter seines Herrn, ein Liebesverhältniß an. Sie entfloh, obschon G. ihr entdeckte, daß er schon vermählt sei, mit ihm nach Venedig. In Rom erhielt der Graf vom Papste Dispensation, wurde mit der Türkin getraut u. seine frühere Gemahlin gab aus Dankbarkeit ihre Zustimmung. Die frühere Gemahlin des Grafen bekam noch drei Kinder, Melechsala blieb kinderlos u. starb zuerst aus dem seltenen Bunde, der Graf selbst starb zuletzt 1264. So die gewöhnliche Erzählung, die aber nur ein Mährchen ist. Zwar zeigte man bis 1800 auf dem Schlosse G. die Bettstelle dieser Doppelehe, einen Türkenbund u. ein goldenes Kreuz, im Tonnaischen Archiv aber einen Ring, zu Farrenroda einen Teppich mit ihrer Ankunft mit Kameelen etc.; auch sollen das Freudenthat u. der Türkenweg bei dem Schlosse G. von Ernsts Rückkehr den Namen erhalten haben. Worauf man das meiste Gewicht legte, ist der Grabstein eines Grafen G. im sonstigen Peterskloster, jetzt im Dom zu Erfurt; es gehört aber dem Grafen Sigmund von G., welcher zwar zwei Frauen, aber nach einander u. keine Türkin hatte. Ähnliches erzählt man in einem altfranzösischen Roman vom Ritter Gilion de Trasygnyes, der mit seinen zwei Gemahlinnen, wovon eine die Tochter des Sultan von Babylon, in der Abtei Olives in Hennegau begraben sein soll. Vgl. P. Muth, De bigamia Comitis de G., Erf. 1788; Der Graf von G., romantische Volkssage, von H. Döring, Gotha 1836; Musäus Volksmährchen der Deutschen, 5 Thle.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 399.
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