Holzgeist

[500] Holzgeist (Methyloxydhydrat, Holzalkohol Methylenbihydrat, Spiritus pyroxyli cus = C2H4O2), bei der trockenen Destillation des Holzes bildet sich neben Holzessig u. Theer (Brandöl) ein Gemenge verschiedener flüchtiger Producte, deren hauptsächlichster Bestandtheil der reine H. (Methyloxydhydrat) ist, außerdem finden sich[500] darin Mesit u. Xylit (s. b.). Diese drei Körper trennt man auf folgende Weise: man bringt den rectificirten H. in einer Retorte mit geschmolzenem Chlorcalcium zusammen; es entsteht hierbei eine Verbindung des reinen H-es mit Chlorcalcium, welche erst bei höherer Temperatur zersetzt wird. Durch vorsichtige Destillation trennt man den Mesit u. Xylit, welche man durch Wasser von einander scheiden kann, da sich Xylit im Wasser nicht löst. Die zurückbleibende Chlorcalciumverbindung des H-es wird durch Wasser zersetzt u. der H. abdestillirt. Er ist ein dünnflüssiges, farbloses Liquidum von eigenthümlichem weingeistartigem Geruche, 0,739 specifischem Gewicht, siedet bei 66°. In chemischer Beziehung ist er dem Alkohol durchaus analog; bei der Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure gibt er Holzäther (Methyloxyd) C2H3O, durch überschüssige Schwefelsäure ölbildendes Gas. Wie der Alkohol bei der Oxydation in Essigsäure übergeht, eben so bildet der H. Ameisensäure (C2H4O2 + 4O = C2H4O4 + 2HO). Der H. bildet mit Salpetersäure u. salpetersauren Metalloxyden zusammengebracht keine Knallsäure (Unterschied vom Äthylalkohol). Als Lösungsmittel verhält er sich wie der Alkohol. Was die chemische Constitution des H-es anbelangt, so herrschen darüber zwei Ansichten: nach der einen ist der H. das Oxydhydrat eines Radicals, des Methyis (s.d.) C2H3, das in der neuesten Zeit von Kolbe isolirt dargestellt worden ist; nach der anderen ist der H. das Bihydrat eines Kohlenwasserstoffes, des Methylens C2H2. Der rohe H. wird, da er auch in Bezug auf sein Auflösungsvermögen u. seine Brennbarkeit große Ähnlichkeit mit dem Alkohol hat, für manche Zwecke anstatt des Alkohols angewendet. Als wärmegebendes Material steht er aber dem Alkohol nach, da er leichter verdunstet u. an brennbaren Bestandtheilen relativ ärmer ist. Außerdem steht seiner Anwendung der hohe Preis entgegen. In England, wo in Folge der hohen Branntweinsteuer der Alkohol theurer ist, als in Deutschland, wendet man dagegen sehr allgemein den H. anstatt des Alkohols an. Über die Zersetzungsproducte des H-es s. Methyl.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 500-501.
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