Incest

[841] Incest (v. lat. Incestus Blutschande), das Verbrechen, welches in der geschlechtlichen Vereinigung zwischen nahe verwandten Familiengliedern besteht. Es beruht auf einem sittlichen, sich deshalb auch bei allen Völkern findenden Gefühle, daß die Geschlechtsvereinigungen naher Verwandten unter einander als verboten angesehen werden. Über die Grenze, bis zu welcher die Verwandtschaft als ein Hinderniß der erlaubten Geschlechtsgemeinschaft zu betrachten sei, sind indessen die Gesetze der verschiedenen Völker von jeher sehr verschieden gewesen, indem dabei die Art des Familienlebens selbst, Volksansichten, zuweilen auch religiöse Motive einwirkten. Allgemein findet sich aber die Ansicht, daß eine Geschlechtsgemeinschaft zwischen Ascendenten u. Descendenten als verboten anzusehen sei. Eine solche Gemeinschaft bezeichneten die Römer als I. juris gentium, während sie unter dem I. juris civilis Geschlechtsvereinigungen zwischen solchen andern Verwandten verstanden, bei welchen nur nach dem besondern Römischen Rechte Eheverbote bestanden. Das Hauptgesetz gegen den I. war eine Lex Julia de adulteriis coërcendis von August. Kinder im I. erzeugt (Liberi incestuosi) wurden im Römischen Recht für successionsunfähig erklärt. Das Canonische Recht dehnte die Eheverbote wegen zu naher Verwandtschaft u. Schwägerschaft sehr weit aus (s.u. Ehe), so daß damit auch der Begriff des I-es sehr erweitert wurde. Man unterschied nunmehr zwischen einem I. juris divini, der dann angenommen wurde, wenn die Geschlechtsgemeinschaft schon den göttlichen Verboten des Mosaischen Rechtes unterfiel; u. einem I. juris humani, wenn die Geschlechtsgemeinschaft nur gegen die übrigen, durch die kirchliche Gesetzgebung aufgestellten Ehehindernisse verstieß. Da in letzterem Falle immer eine Dispensation für zulässig gehalten wurde, so wurde dann der I. mehr nur als eine kirchenpolizeiliche Übertretung bestraft. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. verweist auf das Römische Recht, bestimmt aber zugleich als äußerste Grenze des Verbrechens die Unkeuschheit mit der Schwiegertochter, der Stieftochter u. Schwiegermutter. Darnach kann das Verbrechen des I-es gemeinrechtlich nur zwischen Ascendenten u. Descendenten, Geschwistern, Stiefeltern u. Stiefkindern, Schwiegereltern u. Schwiegerkindern begangen werden, so jedoch, daß schon natürliche Verwandtschaft genügt u. eheliche Verwandtschaft nicht nothwendig ist. Es wird dabei nur die fleischliche naturgemäße Vermischung, nicht auch Schließung einer Ehe, die blos auf die Serafausmessung Einfluß hat, immer aber die Kenntniß des Verwandtschaftsverhältnisses vorausgesetzt, so daß kein I. vorliegt, wenn zwei Personen unbefangen in ein geschlechtliches Verhältniß getreten sind u. erst später ihre Verwandtschaft erfahren haben. Die neueren Gesetzgebungen nennen zum Theil I. nur die verbotene Geschlechtsgemeinschaft zwischen Eltern u. Kindern u. zwischen Geschwistern u. sprechen von den übrigen Fällen als Unzucht zwischen Verschwägerten. Meist sind für die verschiedenen Fälle dann auch verschiedene Strafen gedroht, welche von Gefängniß bis Zuchthaus von 5–6 Jahren gehen; für den Beischlaf in entfernteren Graden der Seitenlinie ordnen manche Gesetzbücher auch nur Polizeistrafen an. Der Ascendent wird in der Regel härter bestraft als der Descendent.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 841.
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