Longobardisches Volksrecht

[512] Longobardisches Volksrecht, das Volksrecht der Longobarden wurde auf Befehl König Rothari's aufgezeichnet, am 22. Novbr. 643 unter dem Namen Edictum in lateinischer Sprache promulgirt u. später durch die Könige Grimoald (668), Liutprant (713–744), Ratchis (746), Aistolf (748–756) u. Desiderius (756–768) revidirt, erweitert u. fortgebildet. Nach dem Untergange des Reichs erwuchsen auf Grundlage dieses L-n V-s, vorzugsweise unter den Händen deutscher Männer, die Anfänge des Rechtsstudiums u. der Rechtswissenschaft im Mittelalter. Die Anfänge einer Rechtsschule lassen sich in Pavia bis hinauf ins 10. Jahrh. verfolgen, welche zu den Edicten der longobardischen Könige die Gesetze der Karolinger, der Herzöge Wido u. Lantbert von Spoleto, der Sächsischen u. Salischen Kaiser sammelte u. unter Benutzung der Entscheidungen des Pfalzgerichts revidirte, ordnete, ergänzte u. erläuterte. Aus diesen Arbeiten entstand in der Rechtsschule zu Bologna der gegen Ende des 11. Jahrh. verfaßte systematisirende Liber Longobardae od. Liber Lombardae, welcher, mit Glossen versehen u. mit römischen u. canonischen Rechtsgrundsätzen vermehrt ist, bei den Börlesungen benutzt wurde. Einem anderen Kreise jedoch gehört das sogenannte Longobardische Lehnrecht an, welches im 12. Jahrh. aufgezeichnet, unter dem Namen Consuetudines feudorum od. Liber feudorum ebenfalls zu Bologna im Gebrauche war u. durch das hohe Ansehen der Bologneser Schule später auch in Deutschland Eingang u. Geltung gewann. Herausgegeben wurde das Edictum des Rothari von Muratori, Canciani, Georgisch, Walter, vom Grafen Baudi di Vesme (Turin 1853, Fol., Abdruck besorgt von Neigebaur, Lpz. 1856). Vgl. Merkel, Geschichte des Longobardenrechts, Berl. 1850.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 512.
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