Mariotte'scher Versuch

[895] Mariotte'scher Versuch, zwei weiße Karten, von etwa 4 Zoll im Durchmesser, werden an einer dunkeln Wand, in der Höhe der Augen u. in einem Abstand von 2 Fuß von einander, aufgehängt. Wenn man nun das eine Auge schließt u., der einen Karte gerade gegenüber sich stellend, mit dem andern Auge starr auf die zweite Karte blickt, nun aber bis auf etwa 9 Fuß zurücktritt, so verschwindet dem Auge die gerade gegenüber befindliche Karte, u. man sieht, so lange der Blick fest auf die andere gerichtet ist, nichts als die Wandfläche. Mariotte glaubte, daß es nicht die Netzhaut, sondern die Gefäßhaut sei, mittelst welcher das Bild im Auge zur Gesichtsvorstellung komme. Bernoulli aber erwies, daß das Bild von einem äußern Gegenstande immer dann verschwinde, wenn es gerade auf die Stelle des Eintritts des Sehnerven (die eine seitliche ist) fällt. Der Gegenstand verschwindet ganz, wenn er nur nicht über 9 Zoll im Durchmesser hat, sobald man den Blick des sehenden Auges auf ein Merkmal richtet, welches seitwärts von jenem 21 Pariser Zoll entfernt ist, u. man selbst sich 6 Fuß weit vom Gegenstand entfernt. Er bleibt auf größere Abstände, od. in größerem Raumeseitwärts verschwunden, wenn er selbst kleiner ist. Strahlende Gegenstände, die dann nicht verschwinden, verbleichen wenigstens. Im gewöhnlichen Sehen bemerkt man es nicht, weil beim Sehen mit beiden Augen die für jedes Auge unsichtbare Stelle vom andern überschaut wird, od. weil, wenn man mit einem Auge sieht, man die Aufmerksamkeit nur auf das richtet, was in die Sehachse fällt, wenn man auch das Auge nicht völlig starr hält, u. die nicht erfüllte Stelle aus Gewohnheit für erfüllt voraussetzt, indem sie bei geringer Bewegung des Anges sich sogleich füllt.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 895.
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