Schlucken

[298] Schlucken (Deglutitio), 1) vorbereitender Act der Ernährung, wodurch der Übergang der nach Erforderniß durch das Kauen gehörig vorbereiteten Nahrungsstoffe aus der Mundhöhle durch den Schlundkopf u. die Speiseröhre in den Magen bewirkt wird; er ist theils ein willkürlicher, theils der Willkür entzogen; ersteres in seinem Beginnen u. bis dahin, daß die Stoffe durch die letzte entscheidende Anstrengung der dabei wirkenden, willkürlichen Bewegung dienenden Muskeln, bis zu der Speiseröhre gelangt sind; letzteres zu Ende des Niederschluckens u. während des Hinabgleitens der Nahrungsstoffe durch die Speiseröhre, um in den Magen zu gelangen. Der Apparat zum S. besteht lediglich in Bewegungsorganen, u. zwar einmal in der Zunge mit ihren Muskeln, dann in dem Gaumen, in den Schlundkopfmuskeln u. in den Muskelfasern der Speiseröhre. Wenn das S. einmal begonnen hat, kann es ohne einige Störung des harmonischen Lebens (Verschlucken), nicht wohl unterbrochen werden. Es müssen dann nämlich während des Durchganges der Stoffe durch den Schlundkopf in die eigentlichen Speisewege zugleich die Zugänge zu den anderen Räumen verschlossen werden, welche durch sie mit dem Schlundkopf in Verbindung stehen; zugleich aber muß der Anfangstheil des Speisewegs selbst, nämlich der Schlundkopf, in seinem tiefern, rings umschlossenen Theile, u. mit diesem die Speiseröhre dem zur Aufnahme[298] in ihm bestimmten Stoffe genähert werden. Jene, unter dem Niederschlucken zu verschließenden Höhlen sind: die beiden Nasenhöhlen in ihren hinteren Ausgängen; die Luftröhre in ihrem Communicationswege (was beim Verschlucken lebensgefährliche Zufälle haben kann), die Stimmritze, u. die Eustachische Röhre des Gehörgangs jeder Seite in ihrer Mündung, in den Rachen. Sind nun einmal Stoffe durch das S. bis dahin gelangt, daß sie von dem weichen Gaumen selbst umfaßt werden u. von dem Schlundkopf aufgenommen sind, welches zugleich bei etwas schwer zu verschlingenden Stoffen, z.B. großen Bissen, durch ein Niederbeugen des Kopfes in etwas befördert wird; so ist zugleich auch das S. schon größtentheils der Willkür entzogen. Übelschmeckende Arzneien, z.B. welche man Kindern tief in den Mund eingießt, wenn man die Nase ihnen zugleich zuhält, werden von ihnen unwillkürlich niedergeschluckt. Doch liegt es meist noch in der Willkür, durch ein starkes Räuspern Stoffe, welche bereits an die Grenze des Schlundkopfs gelangten, wieder in die Mundhöhle gelangen zu lassen; 2) so v.w. Schluchzen 1).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 298-299.
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