Seeschlange

[761] Seeschlange, die große, ein Seeungeheuer, welches man von Zeit zu Zeit an den östlichen amerikanischen Küsten, namentlich aber in den größeren Meerbusen Norwegens, z.B. in dem großen, vielfach verzweigten u. inselreichen Meerbusen von Christiansund, unweit des Dorfes Laurwig, gesehen haben will u. welches vom Bischof Pontoppidan u. dann von Nikolaus Gramius (1656) zuerst erwähnt worden ist; denn die großen von den Alten erwähnten Schlangen in den südlichen Meeren gehörten wohl den wirklichen Schlangen aus der Gattung Boa an, deren Größe, wie so oft im hohen Alterthum geschah, sehr übertrieben wurde. Ob nun die große S. des Nordens auch den Schlangen od. doch überhaupt den Amphibien angehört, od. ob sie nicht vielmehr zu den schlangenartigen, aalartigen od. zu den walzenrunden störartigen Fischen gehört, muß so lange unentschieden bleiben, bis einmal ein solches, nur selten u. nur bei Meeresstille sich auf der Oberfläche der See zeigendes Thier strandet u. dann näher untersucht werden kann. Ein bei Stronsa[761] gestrandetes, für die große S. gehaltenes Thier, wies sich als ein großer Haifisch aus. Im Allgemeinen stimmen die Aussagen der zahlreichen Küstenbewohner u. Seereisenden, welche die große S. gesehen haben wollen, darin überein, daß das Thier schlangenförmig, bei verhältnißmäßig nicht bedeutender Dicke 50–100 Fuß lang sei, mit einem langen, schmalen, von einer Mähne umgebenen Kopfe, dessen rothe Augen bis an 5 Zoll im Durchmesser. Die Farbe des Thieres wird allgemein als braun, zum Theil fast schwarz angegeben. Die sogenannte Mähne dürften wohl eher Flossen od., ist es wirklich ein Amphibium, Büschelkiemen wie bei den Aalmolchen sein. Daß übrigens Fischer getäuscht wurden u. eine Heerde reihenweise schwimmender Delphine, od. große Haifische, den Höcker-Pottwall od. auch den Riesenseetang für die große S. gehalten haben, spricht keineswegs gegen ihre Existenz, mehr könnte dagegen sprechen, daß ein solches Thier noch nie an den Küsten gestrandet; allein da es sich meist auf dem Grunde des Meeres aufhält, wie alle großen Thiere, sich auch nur wenig vermehren u. ein hohes Alter erreichen mag, so könnte es wohl möglich sein, daß die wenigen, welche jährlich, vielleicht nicht einmal jährlich sterben, ein Raub der im Meere zahlreich lebenden Raubfische würden. Für die Möglichkeit der Existenz riesiger lang gestreckter Seeungeheuer sprechen aber auch mehre vorweltliche Thiere, namentlich der Hydrarchos (s. Zeuglodon), u. wäre die große S. diesem verwandt ein großes Meersäugethier, so könnte die Mähne auch nicht mehr als ungewöhnlich erscheinen u. als wirkliche Mähne betrachtet werden. Vgl. Kraken 1).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 761-762.
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