Müller, Heinrich Friedrich

[714] Müller (Wien). Heinrich Friedrich Müller, Verleger der ersten guten deutschen Bilderbücher im zweiten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, wurde am 1. 5. 1779 im Hannoverschen geboren. Er kam 1805 nach Wien und übernahm zwei Jahre später die Hohenleithnersche Kunsthandlung in Wien, die er von 1811 ab unter eigener Firma fortführte.

Zu damaliger Zeit waren die Bilderbücher für die Jugend auf einem sehr geringen Grade von Vollkommenheit, die Darstellungen[714] waren mehr Schmierereien, ohne irgend welchen künstlerischen Wert. Müller war der erste deutsche Verleger, der, keine Kosten scheuend, an die Veredelung dieses Gegenstandes dachte. Den Sinn für das Schöne so früh als möglich zu erwecken, bildete den Leitstern der neuen Ausstattung seiner Bilderbücher; er beschäftigte die ersten Meister seiner Zeit wie Loder, die Kupferstecher Blaschke, Stöber, Steinmüller, Panheimer, Benedetti u. a. m. Neben dem Bilderbuchverlag wendete Müller sein Augenmerk auf die Jugendspiele, deren zierliche, ansprechende Ausstattung allgemein gefielen und der Absatz, namentlich im Norden Europas, großen Umfang annahm. So waren z. B. die Wiener Neujahrswünsche und sogenannten Kunstbillets in ganz Europa verbreitet und sehr beliebt. Höchst bedeutend war die Erzeugung von Stickmustern, deren Müller über 3000 Blätter auf den Markt brachte; er beschäftigte dafür manchmal mehr als 150 Koloristen. Als Musikalienverleger, welcher er 1848 geworden war, ist er bekannt geworden durch Herausgabe von Flotows Martha, Davids Columbus u. a.

Auf seine Anregung hin wurde die Chromolithographie in Österreich eingeführt. Er war einer der Mitbegründer des Wiener Kunstvereins, Vorsteher des Gremiums der Wiener Kunsthändler und anderer Vereine und Gesellschaften. Er starb am 15. 9. 1848; seine Handlung verkaufte die Witwe 1858 an Franz Wessely und Friedrich Büsing, welche sie unter der Firma Wessely & Büsing fortführten. Der letztere Gesellschafter trat bald wieder aus und Wessely, der das Geschäft allein weiterbetrieb, verkaufte es 1885 an V. Kratochwill. Seit 1889 ist dieses Geschäft mit der 1869 gegründeten Firma Bosworth & Co. in Wien verschmolzen.

Quellen: Nekrolog der Deutschen 1849; Wiener Theaterzeitung 1848; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1848.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 714-715.
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