Müller [2]

[210] Müller (Wilh.), ein reichbegabter und beliebter lyrischer Dichter, geb. 1795 zu Dessau, war der Sohn eines unbemittelten Handwerkers, besuchte mit mehrseitiger Unterstützung erst die Schule und seit 1812 die Universität Berlin, wo er sich hauptsächlich mit alten Sprachen und geschichtlichen Studien beschäftigte, bis er 1813 als freiwilliger Jäger ins preuß. Heer eintrat, mit dem er mehren Hauptschlachten des Befreiungskriegs beiwohnte, nach erkämpftem Frieden 1814 aber zu den Wissenschaften zurückkehrte. Eine Reise nach Italien, Griechenland und Ägypten, die M. 1817 als Begleiter eines Baron von Sack antrat, blieb nach in Rom erfolgter Trennung von demselben auf Italien beschränkt und gab unter Anderm Veranlassung zu der interessanten Schilderung: »Rom, Römer und Römerinnen« (2 Bde., Berl. 1820); als Dichter aber bewährte er sich im weitern Kreise zuerst durch seine allgemein ansprechenden, gemüth- und klangvollen, daher auch vielfach in Musik gesetzten »Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten« (2 Bde., 1821–24). Inzwischen hatte M. 1819 als Lehrer der alten Sprachen an der neu eingerichteten Gelehrtenschule zu Dessau einen amtlichen Wirkungskreis gefunden und wurde später, mit theilweiser Beibehaltung desselben, zum Bibliothekar bei der, aus im Lande vorher zerstreut gewesenen Büchersammlungen dort unter M.'s Mitwirkung gebildeten Bibliothek ernannt. Seine begeisterte Theilnahme am griech. Freiheitskampfe sprach sich in seinen »Liedern der Griechen« (5 Hefte, Dessau und Lpz. 1821–25), sowie in der Übersetzung einer Sammlung neugriech. Volkslieder (2 Bde., Lpz. 1825) aus. Die letzte Gabe seines dichterischen Talents waren die »Lyrischen Spaziergänge« (Lpz. 1827), denn kaum von einer Erholungsreise aus den Rheingegenden heimgekehrt, erlag er am 1. Oct. einem plötzlichen Tode. Außer seinen Beiträgen zu den angesehensten kritischen Blättern und encyklopädischen Werken, hat sich M. noch ein besonderes Verdienst um die deutsche poetische Literatur durch seine »Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts« (Lpz. 1822–27) erworben, in der er die werthvollsten lyrischen Dichtungen jener Zeit zum Theil in angemessener Bearbeitung vereinigte und die von K. Förster in Dresden im J. 1838 mit dem 14. Bändchen beendigt ward. M.'s »Vermischte Schriften« fanden an Gust. Schwab (5 Bde., Lpz. 1830) einen würdigen Herausgeber.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 210.
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