Müller, Karoline

[313] Müller, Karoline, Mitglied des wiener Hofburgtheaters, eine der begabtesten deutschen Schauspielerinnen, wurde um 1806 in Grätz geb., und zeichnet sich vorzugsweise im Gebiete des feinern Lustspiels aus. Keine der Lebenden dramat. Künstlerinnen übertrifft sie in der Darstellung naiver, koketter, launischer Mädchen und Frauen, der sogenannten pikanten Charaktere, der weiblichen Trotzköpfe, des personificirten Muthwillens, der liebenswürdigen Bizarrerie. Ihre Kunst, Toilette zu machen, ist so groß, daß selbst die ernstere Kritik mit Anerkennung davon spricht. Die Eleganz der Salons ist ihr Bereich, die höhere Sphäre der Gesellschaft hat sie studirt, und kopirt deren Erscheinungen bis zur lebhaftesten Täuschung. Die Grazien hat sie sich dienstbar gemacht, die Vergänglichkeit des Jugendreizes überwindet sie siegend; ihre Persönlichkeit ist ihr unterthan, sie weiß sie zu verschönern, wann und wie sie will. Es ist natürlich, daß dieser reizende Proteus die lebhafte Anerkennung[313] eines Publikums genießt, dessen Kunstsinn bisher immer das Richtige gewürdigt hat. Seit mehr als 10 Jahren ist sie Mitglied des Künstlervereins der oben genannten Bühne, und während dieses Zeitraumes war der Beifall, den man ihr zollte, stets im Zunehmen: ein Beweis, daß die Jahre machtlos an der Jugendlichkeit dieses ausgezeichneten Talentes vorübergingen. Sie hat gegenwärtig in ihrem Genre keine Nebenbuhlerin, die mit Erfolg gegen sie in die Schranken treten könnte.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 313-314.
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