Auge

[82] Auge (Gr. M.), Tochter des Königs zu Tegea in Arcadien, Aleus, und der Neära, war eine Priesterin der Minerva, doch schützte die Göttin sie nicht vor der siegenden Gewalt des Hercules; dieser, von einem Feldzuge gegen die Söhne des Hippocoon zurückkehrend, verweilte bei Aleus und liess A., als er weiter nach Calydon zog, schwanger zurück. Ihr Vater, erzürnt, glaubte nicht, dass Hercules ihr Gewalt angethan, und übergab sie seinem freunde Nauplius, damit er sie in's Meer werfe. Das schöne Weib erregte des Letzteren Mitleid, so dass er sie dem Könige Teuthras in Mysien brachte, der sie an Kindes Statt annahm. Vorher aber, auf der Landreise[82] durch Arcadien bis zum Meere, war sie von einem Knaben entbunden worden, welchen sie in dem Haine der Minerva, auf dem Berge Parthenius, aussetzte, wo er von einer Hindin gesäugt und so von Hirten gefunden wurde. Diese gaben ihm den Namen Telephus, und brachten das Kind zu ihrem Herrn, dem Könige Corythus, welcher es als sein eigenes erzog und zu einem Helden bildete. Telephus reiste, erwachsen, nach Mysien, wohin ihm das delphische Orakel auf seine Frage nach seiner Mutter zu gehen geboten hatte, und fand den König Teuthras in einen Krieg mit Idas, des Aphareus Sohn, verwickelt und nahe daran, sein Reich zu verlieren. Telephus erschien mit seinen Begleitern dem Teuthras ein willkommener Gehülfe, und dieser versprach ihm, wenn er ihn von seinen Feinden befreite, die Hand seiner ältesten Tochter, nebst seinem Reiche. Telephus siegte und A. ward ihm als Braut zugeführt, doch weigerte sie sich durchaus, des viel jüngern Mannes Gattin zu werden, und drohte noch in der Hochzeitnacht, ihn zu ermorden. Doch die Götter schickten eine furchtbare Schlange ab, welche sich zwischen die Kämpfenden drängte; A. entsetzte sich, so dass sie ihr Schwert fallen liess, welches nun Telephus ergriff, um sie zu ermorden. Da rief A. ihren Geliebten, den Hercules, um Hülfe an, und hierdurch entdeckte Telephus, dass seine Braut Beine Mutter war. Voll Freude, die lang Gesuchte gefunden zu haben, meldete er dieses dem Könige, welcher ihm für die verlorene Braut in seiner Tochter Argiope Ersatz bot.

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Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 82-83.
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