Auge- und Ohrmethode

[387] Auge- und Ohrmethode, die eine der beiden Methoden der in der praktischen Astronomie erforderlichen Verbindung einer Fernrohrbeobachtung mit der entsprechenden Zeitbeobachtung (Uhrablesung).

Auge und Ohr werden gleichzeitig in Anspruch genommen, da es sich um Feststellung des »Schlages« (und soweit nötig seiner Teile) der Beobachtungsuhr handelt, die einem bestimmten Ereignis im Fernrohrgesichtsfeld entspricht, der »Deckung« eines Sterns durch den Horizontalfaden oder Vertikalfaden eines astronomischen Theodolitfernrohrs, der Ränderberührung der zwei Sonnenbilder im Sextantenfernrohr, dem »Antritt« eines Sterns an einem bestimmten Faden bei Durchgangsbeobachtungen im Passageninstrument u.s.w. Der genannten Methode fleht erst seit einem halben Jahrhundert die Methode des Chronographen (s.d.; auch Registriermethode oder Auge- und Handmethode genannt) gegenüber.

Bei Durchgangsbeobachtungen an fest aufgestellten Passageninstrumenten (s. Durchgangsinstrumente) oder Meridiankreisen ist die Methode zugunsten der genaueren chronographischen jetzt fast ganz verlassen. Immerhin ist der Genauigkeitsunterschied nicht so groß, als es auf den ersten Anblick scheinen könnte, und bei Beobachtungen mittels transportabler Instrumente, z.B. selbst auf den trigonometrisch-astronomischen Stationen der Haupttriangulierungen, insbesondere aber bei Beobachtungen auf Reisen zu Land oder zur See ist die Methode die wichtigere oder allein anwendbare. – Am bequemsten ist die Methode anzuwenden, wenn ein Gehilfe die Uhrschläge (Sekunde bei größeren Pendeluhren, Halbsekunde bei Boxchronometern, 0,4'' bei Taschenchronometern) scharf zählt. Wenn das Instrument nahe neben der Uhr (oder umgekehrt) aufgestellt werden kann, so hört der Beobachter selbst die Uhrschläge ab; bei feineren Beobachtungen ist dies notwendig. Bei Boxchronometern, die man nicht ganz öffnen will, leistet ein Mikrophon gute Dienste; bei Pendeluhren setzt sich wohl der Beobachter eine Hörkappe auf, deren Leitung zur Uhr geht (vgl. a. Uhren, astronomische). – Ueber die Genauigkeit der Methode vgl. [1]–[5] und Personalfehler, Chronograph, Durchgangsinstrumente, Registriermethode.


Literatur: [1] Gauß, Briefe, herausg. von Valentiner, Karlsruhe 1877 (Brief an Nicolai vom 20. Januar 1820). – [2] Struve, Anwendung des Durchgangsinstruments für die geograph. Ortsbestimmungen, St. Petersburg 1833. – [3] Monthly Notices Astron. Soc., London 1864, Bd. 24, S. 154. – [4] Albrecht, Ueber die Bestimmung von Längendifferenzen u.s.w., Leipzig 1869, S. 9. – [5] Ferner auch noch die sämtlichen, schon mehrfach genannten Lehrbücher der sphärischen Astronomie und geographischen Ortsbestimmung, z.B. Chauvenst, Spherical and Pract. Astron., 5. Aufl., Philadelphia 1893, Bd. 2, S. 138–139 (und zum Vergleich 86–92); Loomis, Practical Astronomy, 7. Aufl., New York 1892, S. 52–53 (zum Vergl. 75–80); Herr-Tinter, Sphär. Astron., Wien 1887, S. 321 ff., u.s.w.; für Beobachtungen untergeordneter Genauigkeit z.B. Jordan, Grundzüge astronom. Zeit- und Ortsbestimmung, Berlin 1885, S. 50–52; Wislicenus, Handbuch geograph. Ortsbestimmung, Leipzig 1891, S. 52–54, u.s.w.

Hammer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 387.
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