Schriftgelehrter

1. De Schriftgelehrten, de Pennlicker, de Blackschiter, se wêt nich, wat 'n Bûren dênt. Goldschmidt, 89.


2. De Schriftgelehrten sind de ärgsten Weltverkehrten. (Göttingen.) – Schambach, II, 335.

Die Gelehrten stehen in keinem besonders gutem Ruf. Es wird ihnen verkehrtes Wesen vorgeworfen, was wol daher kommen mag, dass sie häufig in Dingen des gemeinen, täglichen Lebens eine auffallende Unanstelligkeit, Unbeholfenheit und Verkehrtheit an den Tag zu legen pflegen. Bei der Entstehung des obigen Sprichworts mögen wol auch die biblischen Schriftgelehrten vorgeschwebt haben. In den Händen der letztern lag die Fortbildung von Gesetz und Recht im palästinischen Staate der Juden; sie sitzen dem Neuen Testament zufolge auf dem Sessel Mosis. Doch hatte das Wort »Schriftgelehrter« zu verschiedenen Zeiten verschiedene Bedeutungen. In der mündlichen Compilation des talmudischen Gesetzbuchs gibt es drei Stufen, von denen jede ihren Namen nach einer besondern Klasse von Gelehrten führte. Die Aufgabe der ersten Klasse dieser Lehrer bestand vor allem darin, über die Erhaltung des [343] heiligen Textes zu wachen, wie er nach vielen Misgeschicken vorhanden geblieben war. Es sind dies die vorzugsweise sogenannten Schriftgelehrten. Sie zählten nicht blos die Gebote, sondern auch die Wörter, die Buchstaben, die Zeichen der heiligen Schrift, und bewahrten sie dadurch vor allen künftigen Einschaltungen und Verdeckungen. Sie errichteten ferner auf eigene Autorität hin gewisse Schutzmauern, d.h. sie erliessen solche neue Befehle, die sie blos für die bessere Aufrechthaltung der alten Gebote für nothwendig erachteten. Die ganze Arbeit dieser Männer (Männer der grossen Synagoge) ist in dem Sprichwort zusammengefasst: Tragt Sorge im Gesetz, Entscheidungen, sendet viele Schüler aus und schafft eine Schutzmauer um das Gesetz. (Vgl. die Pharisäer und die Schriftgelehrten der Bibel im Ausland, 1867, Nr. 49, S. 1169.)


3. Die Schriftgelehrten zeigten den Weisen aus dem Morgenlande den Weg, aber sie blieben daheim.Gutzkow, IV, 1, 374.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 343-344.
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