Seeschlange

* Die Seeschlange taucht wieder auf.

Der Umstand, dass von Zeit zu Zeit dies Seeungethüm gesehen worden sein soll, dessen Dasein aber [496] unausgesetzt bezweifelt wird, weil es noch nie gelungen ist, das Vorhandensein derselben durch glaubwürdige Zeugnisse darzuthun, hat zu der obigen Redensart Veranlassung gegeben, welche man immer dann anwendet, wenn eine Nachricht von irgendeinem zweifelhaften Vorgange wiederholentlich in den Zeitungen auftaucht. »Es heisst, Deutschland, England und Oesterreich wollten ein Zusammengehen verabreden, um die Pläne Russlands im Orient zu durchkreuzen; aber ich glaube, dass mit dieser Seeschlange Humbug (s.d.) getrieben wird.« (Schles. Zeitung, 1871, Nr. 207.) Zuweilen tritt die Nachricht von der wirklichen Anwesenheit der Seeschlange mit grosser Bestimmtheit auf. So berichtete das in der Hafenstadt Hamilton auf Bermuda erscheinende Wochenblatt The Bermudian vom 25. Jan. 1860, dass dort ein unbekanntes fisch- und schlangenartiges Thier gefangen worden sei, das von der Schnauzen- bis Schwanzspitze 161/2 Fuss gemessen habe. Ein beschreibender, ziemlich ausführlicher Bericht steht in dem genannten Blatte und findet sich unter der Ueberschrift: Endlich haben wir die Seeschlange doch in der Gartenlaube. Sie scheint es aber doch wieder nicht gewesen zu sein, denn 1867 wollten sie die Passagiere und Mannschaft des Dampfers Florida auf dem Ontariosee in einer Länge von 50-60 Fuss hinter dem Schiffe herschwimmend und den Kopf bis zum Promenadendeck erhebend, gesehen haben. (Niederschlesische Zeitung, Görlitz 1867, Nr. 193.) Nach einem Bericht des Seefahrers Frederick Smith wäre die Seeschlangenfrage dadurch zur Ruhe gebracht, dass er durch Aussetzen eines Bootes eine in den chinesischen Gewässern bemerkte Seeschlange hat festnehmen und auf das Schiff Peking winden lassen. »Der Körper«, heisst es in dem Bericht, »war so mit Seeparasiten aller Art bedeckt, dass es einige Zeit und genauerer Prüfung bedurfte, ehe wir entdeckten, dass dies vermeintliche schreckliche Thier nichts mehr noch weniger sei als eine ungeheuere, etwa 100 Fuss lange und 4 Fuss im Durchmesser haltende Alge, deren Wurzel in der Entfernung als Kopf erschienen war, während die durch die Wellen verursachte Bewegung den Anschein von Leben verliehen hatte. In wenigen Tagen entwickelte diese Riesenalge durch das ganze Schiff einen so penetranten Geruch, dass wir genöthigt wurden, sie wieder ins Meer zu werfen. Ein anderes Schiff, der Dädalus, hatte die Alge an derselben Stelle gesehen und berichtete über sie, als er nach London zurückkam, als eine Seeschlange.« (Vgl. darüber die ausführliche Darstellung in Das neue Blatt, Leipzig 1873, Nr. 17, S. 271.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 496-497.
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