Burg, die

[1260] Die Burg, plur. die Bürge. 1) Ein jeder befestigter oder mit Festungswerken eingeschlossener Ort. Von dieser ersten und weitesten Bedeutung, welche aber nunmehr völlig veraltet ist, ist noch das zusammen gesetzte Wagenburg ein Zeuge. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist Vorburg noch so viel als eine Vorstadt, welche Bedeutung in dem Franz. Fauxbourg noch gäng und gebe ist. Besonders wurde dieses Wort in den ältesten Zeiten von einer Stadt gebraucht, welche Bedeutung Baurgs bey dem Ulphilas, und Burc oder Burg, bey dem Ottfried, Willeram und Tatian mehrmahls haben. Das heutige Schwed. Birke, und Engl. Borough, Burgh, eine Stadt, ist auch noch ein Überbleibsel davon. 2) Ein befestigter Wohnsitz eines Fürsten, Grafen oder Dynasten, welcher mit verschiedenen Hoheitsrechten versehen ist. In diesem Verstande wird der kaiserliche Wohnsitz zu Wien noch jetzt die Burg oder die Hofburg genannt. In den mittlern Zeiten gab es in Deutschland eine Menge solcher Bürge, welche zum Theil auch noch vorhanden sind, aber jetzt gemeiniglich Schlösser genannt werden, so daß das Wort Burg auch in dieser Bedeutung im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird, außer wenn von den Bürgen der mittlern Zeiten die Rede ist. Die Wohnsitze der gemeinen Edelleute werden zwar oft Schlösser, aber so viel mir bekannt ist, nicht Bürge genannt; obgleich das Diminutivum Bürglein oder Bürgel zuweilen in dieser Bedeutung vorkommt. Bey dem Tatian ist Burgilu ein Castell, im Gegensatze der Burg oder Stadt.

Anm. Burg, im Angels. Byrig, Burg, im Dän. und Schwed. Borg, ist ein altes Wort, welches in allen Europäischen Mundarten angetroffen wird. Man hat es bisher von Berg und bergen abgeleitet, weil man die Bürge ehedem auf Berge bauete, und sich in denselben zu bergen, d.i. zu vertheitigen, suchte. Hr. Ihre gibt hingegen dem alten byrgia, schließen, den Vorzug; welche Muthmaßung dadurch bestätiget wird, daß auch das Wort Schloß von schließen abstammet. Einigen Schriftstellern des mittlern Zeitalters zu Folge bedeutete Burg ehedem auch einen offenen Ort, einen Flecken, im Gegensatze einer ummauerten Stadt; allein in Deutschland ist diese Bedeutung wohl nie allgemein gewesen. S. Bürger 4. Das Griech. πυργος, ein Thurm,[1260] scheinet mit Burg genau verwandt zu seyn. Der Plural Bürge war ehedem vollkommen gebräuchlich, und kommt auch noch in der Deutschen Bibel vor. Heut zu Tage gebraucht man ihn wenig, welches aber wohl nur von dem immer mehr abnehmenden Gebrauche des Wortes Burg selbst herrühret. Im Oberdeutschen heißt der Plural auch die Burgen. An den meisten Nahmen der Örter, welche sich auf burg endigen, ist dieses Wort ein Beweis, daß sie aus Bürgen entstanden sind, welche zuerst daselbst befindlich gewesen. Die Gentilla von diesen Wörtern behalten ihr u unverändert. Ein Hamburger, Straßburger u.s.f. Nicht Hambürger.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1260-1261.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: