Heer, das

[1050] Das Heer, des -es, plur. die -e. 1) In der weitesten Bedeutung, eine große Menge neben oder bey einander befindlicher Dinge. Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer, 1 Mos. 2, 1, mit allen darauf befindlichen Geschöpfen. Das Heer des Himmels, 5 Mos. 4, 19, der ganze Umfang aller Welt- oder Himmelskörper. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch in einigen Fällen von solchen Dingen, welche als im Zuge, oder doch in der Bewegung begriffen, vorgestellet werden. Diese Worte – drangen – mit einem Heere von Nebenbegriffen des Schauders, des Schreckens in unsre Seele, Herd. 2) In engerer Bedeutung, eine bey und neben einander befindliche große Menge Geschöpfe. Ein Heer Heuschrecken. Ein einziger alter Eichbaum ist eine Welt für ganze Heere verschiedener Thiere, die sich von ihm nähren, Gell. Ein Heer Weiber, Kinder u.s.f. Das Heer des Himmels, Ps. 33, 6, Nehem. 9, 6, d.i. die unsichtbaren Geschöpfe Gottes, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. 3) In der engsten Bedeutung, eine Menge zum Kriege gerüsteter Menschen, welche dem Oberbefehle eines Einzigen unterworfen sind; ein Kriegesheer, zum Unterschiede von einem Heere aus andern Ursachen versammelter Menschen. In dieser alten und guten Bedeutung, in welcher es noch in der Deutschen Bibel sehr oft vorkommt, ist es im Hochdeutschen sehr aus dem Gebrauche gekommen, seitdem das Franz. Armee beliebter geworden. Indessen hat sich doch Heer und noch mehr[1050] Kriegesheer von Zeit zu Zeit in der edlen Schreibart erhalten. Ein Heer auf die Beine bringen, anwerben. Mit dem Heere ausrücken, in das Feld rücken. Das wüthende Heer, oder Fastnachtsheer, ein eingebildetes Gespenst, welches mit einem großen Gefolge und schrecklichen Getöse durch die Wälder und Felder fahren soll, und vielleicht ein Überbleibsel von dem Heere Wodans, der ehemahligen heidnischen Deutschen ist. Mit Heeres Kraft, mit einem zahlreichen Kriegesheere, ist im Hochdeutschen veraltet.

Anm. Bey dem Ulphilas ist Harji eine Legion, bey dem Ottfried Heri und Heriscaf eine Menge Menschen, und ein Kriegesheer, welche letztere Bedeutung auch das Angels. Here, Herig, Herg, und das Isländ. Her haben. Im Schwed. bedeutete Haer so wohl einen Landtag, als eine bürgerliche Versammlung, als endlich auch eine Zahl von hundert. In den ältern Oberdeutschen Schriftstellern kommt auch Harst für Heer, Kriegesheer, und Harster für Soldat, mehrmahls vor, wovon Frisch nachgesehen werden kann. Daß Herde, Schar, und vielleicht auch Horst, mit zu dem Geschlechte des Wortes Heer gehören, ist sehr wahrscheinlich. Allein, welches der erste und herrschende Begriff in diesen Wörtern ist, ist nicht so leicht zu bestimmen. Frisch scheint das alte hor, hoch, als das Stammwort anzusehen, S. Hehr. Wäre, wie sehr wahrscheinlich ist, der Begriff des Zuges, der Bewegung, der in den meisten Fällen mit dem Worte Heer verbunden ist, der herrschende, so würden das Nebenwort her, das Hebr. גור, wandern, und das Deutsche scheren, in den niedrigen R.A. sich fortscheren, sich herscheren u.s.f. gleichfalls mit dahin gehören. Frisch führet aus einer alten Reisebeschreibung die Stelle an, alsbald die Nacht zu Here gieng, d.i. anbrach, herein brach. Auch das alte haren, rufen, schreyen, könnte dabey in Betrachtung kommen, das Getöse vieler bey und neben einander befindlicher Dinge auszudrucken. S. Herde, Schar, Horst. Im mittlern Lat. kommt Hara und Haracium, Franz. Haras, sehr oft von einer Herde Vieh vor. Hingegen wird daselbst Exercitus so wohl von einer Herde Viehes, als auch von einem zahlreichen Gefolge von Hofbedienten gebraucht, in welchem Verstande auch Heer ehedem üblich war. Da das Wort Heer im Oberdeutschen zwar beständig üblich geblieben ist, im Hochdeutschen aber durch Französische Wörter verdränget worden, so gilt solches auch von den meisten der folgenden Zusammensetzungen, da sie doch vor den statt ihrer eingeführten ausländischen Ausdrücken immer noch den Vorzug verdienen. In einigen derselben ist das lange scharfe e in ein kurzes offenes übergegangen, wie in Herberge, Hermann und Herzog.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1050-1051.
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