Pasquill, das

[663] Das Pasquíll, des -es, plur. die -e, eine Schrift, worin man jemanden fälschlich ehrenrührige Handlungen Schuld gibt, besonders, wenn man eine solche Schrift ohne seinen Nahmen bekannt macht; die Lästerschrift, Schandschrift. Die ungegründete Beschaffenheit der dem andern Schuld gegebenen dessen guten Nahmen aufhebenden Verbrechen, und nächst dem die Verschweigung des Nahmens des Verfassers sind die wesentlichen Unterscheidungsmerkmahle eines Pasquilles. Fehlt eines dieser Stücke, so ist es eine bloße Schmähschrift. Daher der Pasquillánt, des -en, plur. die -en, Fämin. die Pasquillántinn, eine Person, welche Pasquille verfertiget und ausbreitet, und in weiterer Bedeutung ein jeder grober Verleumder, eine Person, welche andere auch mündlich unwahrer ehrenrühriger Handlungen beschuldiget; der Lästerer. Pasquillántisch, einem Pasquille ähnlich, gemäß, in demselben gegründet. Die Pasquināde, plur. die -n, aus dem Ital. Pasquinara, eine Lästerung, und in engerer Bedeutung, eine witzige Lästerung.

Anm. Alle diese Wörter stammen aus dem Italiänischen, und dem daselbst in den neuern Zeiten geformten Lateinischen Worte Pasquillus, her. Pasquin oder Pasquino ist der heutige Nahme einer verstümmelten und sehr unkenntlichen Bildsäule zu Rom nahe bey dem Platze Navone, an welche man ehedem alle nahmenlose Schmähschriften und beißende witzige Einfälle anzuheften pflegte. Die Bildsäule, von welcher man nicht weiß, was sie vorstellet, hat den Nahmen von einem witzigen Schneider Pasquino, welcher ehedem in ihrer Nachbarschaft wohnete, und in dessen Werkstätte sich alle Liebhaber von Neuigkeiten versammelten, und daselbst alles Gute und Böse, was in Rom vorging, durchhechelten. Er starb, nachdem ihm sein boßhafter Witz tausend Verdruß zugezogen hatte, und hinterließ der gedachten Bildsäule so wohl seinen Nahmen, als auch das Amt, dasjenige bekannt zu machen, was die witzigen Köpfe der Stadt gern bekannt machen wollen, ohne sich selbst zu erkennen zu geben. Gemeiniglich antwortet Pasquin auf die Fragen, welche Marforio an ihn thut. Dieses ist eine andere eben[663] so verstümmelte Bildsäule in einem von den Höfen des Capitolik, deren Nahme so viel als Martis Forum bedeuten soll, wo sie ehedem gestanden hat.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 663-664.
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