Reim, der

[1053] Der Reim, des -es, plur. die -e, Diminut. das Reimchen, Oberd. Reimlein. 1) Zwey oder mehr ähnlich klingende Wörter, und als ein Abstractum zuweilen auch der Gleichklang zweyer oder mehrerer Wörter. Gram und kam sind ein Reim, oder machen einen Reim aus, weil sie ähnlich klingende Wörter sind. Kam ist ein Reim auf Gram. In engerer Bedeutung ist der Reim in der Dichtkunst der ähnliche Klang der letzten Sylben zweyer oder mehrerer Verse, und das Wort, welches diesen ähnlichen Klang enthält. Ein männlicher Reim, wo in jedem Worte nur Eine Sylbe gleichklingend ist, zum Unterschiede von einem weiblichen Reime, wenn zwey Sylben gleichklingend sind. Im engsten Verstande sind es solche ähnlich klingende Wörter, wo auf einen gleichlautenden Selbstlaut gleiche Mitlauter folgen und verschiedene vorher gehen, nimm, Grimm, fehlen, stehlen; zum Unterschiede von den so genannten reichen Reimen, wenn auch gleiche Mitlauter vorher gehen, wie in daraus und heraus, Karosse und Rosse. Einen Reim auf das Wort Gott suchen, ein Wort, welches sich[1053] auf dasselbe reimt. 2) Zwey oder mehrere sich reimende Zeilen, ein Vers; nur noch im gemeinen Leben, oder doch nur von solchen gereimten Zeilen dieser Art, welche außer dem Reime nichts Dichterisches enthalten, dergleichen z.B. die so genannten Leberreime gemeiniglich zu seyn pflegen. 3) In noch weiterer Bedeutung, ein gereimtes Gedicht, es sey nun ein Lied, ein Gesang, oder ein anderes Gedicht, wo es im Singular nur noch in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden üblich ist. Einen Reim machen, ein Gedicht. Ein Hirtenreim, ein Hirtengedicht, ein Heldenreim, ein Heldengedicht u.s.f. In der anständigern Sprechart pflegt man ein Gedicht auch dann wohl im Plural Reime zu nennen, wenn es außer den Reimen nichts oder wenig Poetisches mehr enthält.

Anm. Schon im Ottfried Rim, im Nieders. Riem, im Engl. Rime, im Franz. Rime, im Ital. Rima, im Pohln. Rym. Weil Rim bey dem Ottfried und im Angels. auch eine Zahl bedeutet, so glauben Wachter und andere, daß mit dem heutigen Reim auf die abgemessene Zahl der Sylben eines Gedichtes gesehen werde. Allein, es ist wahrscheinlicher, daß die Bedeutung der Zahl und des Reimes nur Seitenverwandte sind. Reimen und Reim ist ursprünglich ein Wort, welches einen gewissen Schall nachahmet, und zwar einen Schall, welchen so wohl abgesungene Wörter und Gedanken, als auch mehrere in Bewegung begriffene Dinge machen, daher Reim so wohl ein Lied, ein Gedicht, gleich klingende Wörter, als auch eine Zahl bedeutet. Auf ähnliche Art ist rechen auch eine Nachahmung eines Schalles, und dann in seinem Intensivo rechnen, ein Ausdruck des Zählens. Im Griechischen ist ῥƞμα so wohl ein Gedicht, als auch ein Wort, eine Rede, und ῥυθμος, ein Reim, und αῥυθμος, eine Zahl, gehören zu unserm reden, und dem Oberd. reiten, rechnen. Das Nieders. Riem, der Schaum, und riemen, schäumen, gründet sich auf eine ähnliche Onomatopöie. Bey den Meistersängern heißt der Reim das Bundwort.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1053-1054.
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