Die Narrenfeste

[213] Die Narrenfeste waren wahrscheinlich ein Ueberbleibsel der alten Römischen Saturnalien, und wurden zum Aerger aller Vernünftigen im Mittelalter in mehrern Europäischen Ländern, besonders aber in Frankreich, um Weihnachten und Neujahr gefeiert. Die untern Kirchendiener wählten einen aus ihrer Mitte, welcher unter den lächerlichen Formalitäten als Abt oder Bischof verkleidet und eingeweiht wurde, daselbst alle gottesdienstliche Handlungen verrichtete, und sogar dem gegenwärtigen Volke in den unsinnigsten Formeln den Segen ertheilte. Die Anwesenden erlaubten sich alle mögliche Thorheiten und [213] Ausschweifungen, und begingen dieses Fest auf eben so schändliche Art, wie das so genannte Eselsfest (m. s. diesen Art.). Vielleicht sind die in mehrern Gegenden Deutschlands, besonders in Thüringen und Franken, unter dem Volke noch ziemlich üblichen Christkinds-Spiele (wo Personen als Maria, Herodes u. s. f. verkleidet umherziehen) ein Ueberbleibsel davon. – Aehnlichen Gehalts war der Ritterorden der Narren, welchen ein gewisser Graf von Cleve errichtet haben soll. In diesem Orten äffte man alle Gebräuche der wahren Ritter auf eine lächerliche Art nach, und hatte zu dem Ende ein eignes Gesetzbuch. Noch im Jahr 1626 war dieser Orten in Frankreich so angesehen, daß selbst Prinzen von Geblute ohne Bedenken sich in seine Geheimnisse einweihen ließen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 213-214.
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