Michael Adrian Ruyter

[369] Michael Adrian Ruyter, verdient unter den Seehelden der Neuern einen der ersten Plätze, und ist gewiß der größte, den die vereinigten Niederlande je gehabt haben, indem unter ihm ihre Seemacht den höchsten Gipfel erreichte. Er war 1607 zu Vlissingen geboren, wurde zum Seilerhandwerk bestimmt, entlief aber schon in seinem eilften Jahre, 1618, und nahm Seedienste. Die Natur hatte ihn ganz zu einem vortrefflichen Seemann gebildet; er war von der festesten Gesundheit, abgehärtet, unermüdet thätig, entschlossen, ungemein tapfer und mit allen zum Seedienste gehörigen Wissenschaften auf das genauste bekannt. Uebrigens charakterisirt ihn sein Privatleben als den liebenswürdigsten und bescheidensten Mann und den aufrichtigsten Patrioten, der, ungeachtet seines eifrigsten Wunsches, den Rest seiner Tage in Ruhe zu verleben, und trotz der unaufhörlichen Bitten seiner Gattin, dennoch jedes Mahl dem Rufe des Vaterlands folgte und ihm neue Vortheile erwarb. Schon in seiner Jugend unternahm er weite Seereisen in andere Welttheile, stand 1641 als Contreadmiral den Portugiesen im Namen seiner Nation gegen Spanien bei, und that denn von Zeit zu Zeit mehrere glückliche Streifereien zu Bekämpfung der Corsarenstaaten im Mittelländischen Meere. Er schlug hierauf in dem 1652 mit England ausgebrochnen Kriege die Englische weit stärkere Flotte unter Askye in einem großen Treffen, und erfocht noch [369] als Unteradmiral mehrere Vortheile gegen sie. Nach dem 1654 geschloßnen Frieden unternahm er wieder verschiedne kleine und glückliche Züge gegen Frankreich, die Corsaren, Portugal und Schweden, erwarb sich aber noch größere Verdienste in dem 1664 mit den Engländern ausgebrochnen Kriege. Er schlug sie, nachdem er ihnen in den Gewässern Afrikaʼs und Amerikaʼs Abbruch gethan hatte, im Canal in drei großen Schlachten, die er als Hauptadmiral (welche Stelle er bis an seinen Tod behielt,) 1666 in dem kürzesten Zeitraume, nehmlich vom 11. bis zum 14. Juni, lieferte, mußte sich aber bald nachher (4. August), da die Unteradmirale wider seine Befehle agirten, mit außerordentlichem Verlust zurückziehen; allein sein Rückzug ist dessen ungeachtet eines der größten Meisterstücke, die je im Seekriege ausgeführt worden sind. Er landete sogar 1667 an den Ufern der Themse, und nöthigte dadurch das bestürzte England zu dem schleunigst geschloßnen Bredaer Frieden. Einen zweiten Krieg gegen England und Frankreich, von 1672–1674, führte er mit eben so großem Ruhme; und bloß seine ausgezeichneten Verdienste waren die Ursache, daß man ihn bei der Ermordung seiner Freunde, der Brüder de Witt, jener bekannten Gegner des Hauses Oranien, verschonte. In diesem Kriege (zu dem die Engländer, ihres Bündnisses mit den Niederlanden uneingedenk, die sonderbare Veranlassung ergriffen, weil Ruyters von einem Sturme ganz auf die Seite geworfnes und unbrauchbar gewordnes Schiff den Kanonengruß nicht erwiedert hatte) schlug er mit seinem vortrefflichen Unteradmiral Tromp 1673 den 7. Juni und 21. August die vereinigten Englisch-Französischen Flotten, und behielt zur See die Oberhand, ungeachtet die Landtruppen seines Vaterlands gänzlich geschlagen worden waren. In beiden Kriegen führte er das Commando von Flotten, die gewöhnlich weit über 100 Schiffe stark waren; auch wurde er von den Feinden so sehr gefürchtet, daß sie ihm, ungeachtet ihrer bisweilen noch größern Schiffszahl, dennoch fast nie ein Treffen anboten: und seine vortrefflichen Plane machten ihn eben so unsterblich, als die Tapferkeit und Schnelligkeit, mit der er sie ausführte. – Endlich bestimmte ihn das Schicksal, seinen Tod außerhalb des Vaterlands zu finden. Er mußte 1675 mit einer kleinen Flotte, der die Französische an Zahl weit überlegen war, den Spaniern nach Messina [370] gegen Frankreich zu Hülfe kommen, und seine Lage war daselbst so mißlich, daß jeder andere Admiral gänzlich verloren gewesen wäre; er rettete aber dessen ungeachtet seine Flotte nebst der Spanischen, und verlor endlich, da er im Treffen bei Mongibello in Sicilien 1676 den 22. April den linken Fuß eingebüßt hatte, am 29. April in der Bay von Syrakus das Leben im 69. Jahre seines Alters.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 369-371.
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