Sardinien

[54] Sardinien, Insel und Königreich im Mittelländischen Meere, gegen Osten am Tyrrhenischen, gegen Suden am Afrikanischen und gegen Westen am Sardinischen Meer, auf der Nordseite aber von der Insel Corsika nur durch die Meerenge St. Bonifazio getrennt, hat ungefähr 700 Meilen im Umfange, und wird hauptsächlich in zwei Theile, den südlichen (Capo di Cagliari, oder auch Capo di Sotto – den untern) und den nördlichen (Capo di Saslari oder Capo di Sopra – den obern) getheilt; die Volksmenge rechnet man über 400,000. Cagliari, die Hauptstadt und der Sitz des Vicekönigs, welche am Meere und durch ihren schönen Hafen für den Handel vortheilhaft liegt, faßt gegen 25,000 Einwohner. – Die Insel ist im Allgemeinen sehr fruchtbar, besonders an Getreide und Wein, an Salz und sehr vielen edlen Früchten, hat zahlreiche Viehzucht, viel Wild und Geflügel, aber noch weit mehr Fische, worunter besonders der Thunfisch gehört. Seide, Wolle, Baumwolle, Flachs etc. gewinnt man ebenfalls hier. Doch würden alle diese Producte weit mehr benutzt werden, wenn die Insel volkreicher – sie könnte ihrem Flächeninhalte nach füglich 3 Millionen Einwohner fassen – und überhaupt die Einwohner thätiger und betriebsamer wären: und es ist auffallend, daß diese Insel dem Landesherrn wenig oder gar nichts einträgt. – Der König von Sardinien ist in seinen Staaten einer der unumschränktesten Monarchen; die katholische Religion ist die ausschließend herrschende. Das Kirchenregiment ist in den Händen der Bischöfe und einiger Aebte mit bischöflicher Jurisdiction. Alle Departements, alle Zweige der Verwaltung und Regierung [54] nähern sich der Aristokratie mehr oder weniger, und haben gewöhnlich einen Adelichen an der Spitze.

In dem ersten Punischen Kriege war diese Insel nach Sicilien unter die Herrschaft der Carthaginienser und nachher unter die der Römer gekommen. Wegen einer Empörung wurden die Sarden als Sclaven nach Rom gebracht und gleich Viehheerden verkauft. Das dadurch nun verwüstete Land artete in Sümpfe aus; und unter den Kaisern wurden Menschen, die man gern los sein wollte, besonders auch Juden, dorthin verwiesen. Diese fanden bald Mittel, sich zu nähren; nach und nach wurde ein Handel mit Afrika eröffnet; und bald bemächtigten sich die Saracenen ihrer. Im eilften Jahrhundert bemerkt man zuerst die kleinen christlichen Könige in einigen Theilen dieser Insel, welche von den Kaisern unterstützt wurden, bis endlich, trotz des Einflusses und der Herrschaft, welche sich die Päpste über Sardinien anzumaßen suchten, Kaiser Friedrich II. sich 1238 der Insel Sardinien bemächtigte, sie für ein Königreich erklärte und seinen Sohn Entius damit belehnte. Nachher kam es jedoch wieder in die Hände der Genueser und Pisaner, dann an Spanien, 1708 an England, 1713 an Oesterreich, bis endlich 1720 diese Insel von Spanien und Oesterreich an den Herzog von Savoyen, statt des ihm von Spanien entrissenen Königreichs Sicilien, abgetreten wurde, welcher sie durch einen Vicekönig verwalten ließ. In den neuesten Zeiten wurde von den Franzosen auch dem Könige von Sardinien der Krieg angekündigt; er verlor gleich bei dem ersten Sturme Savoyen (s. Savoyen), wobei es auch in dem 1796 abgeschlossenen Frieden blieb. Im Jahr 1798 brachen die Franzosen, unter nichtigen Vorwänden und nachdem man sich alle niedrige Mittel der Aufhetzung erlaubt hatte, diesen Frieden, bemächtigten sich der Citadelle Turin und erklärten gegen Ende desselben Jahres dem König wieder förmlich den Krieg, worauf 1799 im Februar die Staaten des Königs von Sardinien republikanisirt wurden, und diesem nebst seiner Familie nichts als die Insel Sardinien übrig gelassen wurde. Zwar zeigten sich im Verfolge bei den Siegen der Russen und Oesterreicher einige bessere Aussichten; allein die Folge hat sie nicht begünstigt. 1802 legte endlich der König die Regierung [55] nieder, und trat sie seinem Bruder, dem jetzigen Vicekönig auf der Insel Sardinien, Herzog Aosta, ab.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 54-56.
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