Grundeis

[293] Grundeis heißt das in schiefrigen Flocken erscheinende, vom Wasser durchzogene, schmuzige und daher graue Eis, welches sich bei eintretendem gelinden Frostwetter auf dem Boden fließender Gewässer bildet, dann in die Höhe steigt und auf der Oberfläche der Flüsse fortschwimmt, sodaß diese oft wie mit einem geronnenen Überzuge, fast wie Froschlaich, bedeckt erscheinen. Trifft es feste Körper, so setzt es sich an diese an und erstarrt dann, wenn die Luft nicht wärmer wird, zu festerm Eise. Da das Eis stets leichter als Wasser ist, so hat man lange, obgleich der Volksglaube längst von Grundeis sprach, doch an der Möglichkeit desselben gezweifelt, in neuerer Zeit sich jedoch durch directe Versuche und zahlreiche Beobachtungen von dem Vorhandensein desselben überzeugt, auch den Grund seiner Bildung entdeckt. Das Wasser kann nämlich bis unter den Eispunkt (s. Eis) erkalten, ohne in Eisform überzugehen; berührt man es aber sodann mit einem spitzigen Körper, so erstarrt es augenblicklich. Herrscht nun eine Temperatur von einigen Grad unter dem Gefrierpunkte, so erkaltet das Wasser an der Oberfläche der Flüsse, und dieses Wasser wird durch die Bewegung des Fließens zum Theil nach dem Boden des Wassers herabgetrieben; hier trifft es in Menge vorragende Spitzen, an welche es sich als Eis ansetzt und einige Zeit festhält, bis es an Umfang so zugenommen hat, daß sein Bestreben, vermöge seiner größern Leichtigkeit emporzusteigen, die Kraft, mit der es an den Gegenständen festhält, überwiegt oder auch diese selbst mit emporträgt. Eins der merkwürdigsten Beispiele von der Bildung des Grundeises ereignete sich bei Pillau (dem Hafen von Königsberg am Ausfluß des Pregel) am 9. Febr. 1806. Es kamen nämlich vor längerer Zeit verloren gegangene eiserne Hafenketten von sechs Klaftern Länge, mit Grundeis überzogen, an die Oberfläche des Wassers. Versunkene Fahrzeuge, große Steine u.s.w. sind auf diese Weise vom Grundeis emporgehoben worden. In stehenden Wassern kommt das Grundeis niemals vor, denn hier dringt das kältere Wasser der Oberfläche niemals bis zum Grunde, vielmehr nimmt stets die Temperatur des Wassers mit der Tiefe zu. Im Meere mag die Bildung des Grundeises dadurch möglich werden, daß durch den Wellenschlag das obere Wasser in die Tiefe getrieben wird.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 293.
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