Patriotismus

[428] Patriotismus heißt nach dem Lateinischen die Vaterlandsliebe, jenes Gefühl, welches uns antreibt, an den Schicksalen unsers Vaterlandes den lebhaftesten Antheil zu nehmen und in der edelsten Auffassung derselben das eigne Wohl gern und willig dem des vaterländischen Staates zum Opfer zu bringen. Wer von diesem edlen Gefühle beseelt ist, ist ein Patriot oder Vaterlandsfreund im wahren Sinne des Wortes. Falscher Patriotismus ist es aber, wenn dieses Gefühl so ausartet, daß wir auf alle andern Völker mit Verachtung herabsehen und ohne uns die Mühe zu geben, ihre guten Eigenschaften und Einrichtungen kennen zu lernen, mit blinder Engherzigkeit nur Das preisen, was wir bei uns finden. Der wahre Vaterlandsfreund, der dem Lande, welchem er angehört, thätig zu nützen strebt, wird vielmehr solche Einrichtungen des Auslandes, welche er für besser als die heimischen erkannt hat, auf vaterländischen Boden zu verpflanzen streben, aber zuvor sich nicht blos von ihrer Trefflichkeit im Allgemeinen, sondern auch von ihrer Vorzüglichkeit in Bezug auf die heimischen Verhältnisse eine feste Überzeugung zu verschaffen suchen. Der Patriotismus setzt aber ein eignes Urtheil, eine Überzeugung von den Wohlthaten, dem Schutze und der Gerechtigkeit voraus, die der Staat seinen Bürgern angedeihen läßt, denn bloße Liebe zur Heimat ist noch kein Patriotismus. Je mehr Freiheit und Anerkennung seiner Rechte dem Volke von der Staatsgewalt zu Theil wird, desto lebhafter wird das Gefühl des Patriotismus sein, und deshalb ist diese Bürgertugend auch vorzüglich in Freistaaten zu Hause.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 428.
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