Perspective

[453] Perspective heißt sowol die Kunst, Gegenstände auf einer ebenen Fläche so darzustellen, wie sie dem Auge von einem gegebenen Standpunkte aus in der Wirklichkeit nach Gestalt und Färbung erscheinen oder erscheinen würden, als auch die Lehre von den dabei zu beobachtenden Regeln. Sie setzt uns einerseits in den Stand, z.B. eine Landschaft mit den mannichfaltigsten nahen und fernen Gegenständen in denselben treuen Größenverhältnissen zueinander zu zeichnen, in denen wir das Bild derselben in einer eingerahmten Glastafel sehen, durch die wir sie betrachten. So weit dabei die Gestalt und Größe der Gegenstände in Betracht kommt, ist die Lösung der Aufgabe Sache der mathematischen oder Linearperspective; perspectivisch betrachten aber kann man einen Gegenstand von oben, wo er eine seinen Grundriß darstellende oder ichnographische Zeichnung gibt, von der aufrechten Seite, wo man das Profil oder eine orthographische Zeichnung desselben erhält und halb von oben oder unten und halb von der Seite, was die eigentliche Malerperspective ist. In der sogenannten Vogelperspective erscheint ein schief von oben betrachteter Gegenstand. Was hingegen die andere Aufgabe, z.B. in Bezug auf eine Landschaft anlangt, den Gegenständen nach Verhältniß der Entfernung, in der sie hintereinander liegen, die ihnen zukommende Beleuchtung und Färbung zu geben, welche zugleich mit dem für ein Bild gewählten oder bei der Aufnahme nach der Natur vorhanden gewesenen allgemeinen Ton der Luft und des Lichts harmoniren müssen, so hat diese die Luftperspective zu lösen, auf welcher der große Vorzug der Malerei, die täuschende Darstellung des Räumlichen auf einer Fläche, hauptsächlich mit begründet ist. Überhaupt ist allgemeine Kenntniß von der Perspective den Malern, Baukünstlern, Bildhauern und ähnlichen Künstlern zur Ausübung ihrer Kunst unerläßlich. Gemälde, an denen die Behandlung der Perspective vorzugsweise ins Auge fällt, wie bei Ansichten des Innern von Kirchen, Säulenhallen und ähnlichen Räumen, werden davon auch mit dem Gattungsnamen von Perspectiven bezeichnet. Man wendet den Ausdruck Perspective aber auch im bildlichen Sinne an und jagt »Jemand etwas in Perspective stellen«, was so viel heißt, wie Jemand Aussicht oder Hoffnung auf etwas machen oder auch ihn mit etwas bedrohen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 453.
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