Raupen

[631] Raupen werden vorzugsweise die Larven der Schmetterlinge genannt. Sie entstehen aus den Eiern, welche die letztern immer dahin legen, wo die ausgekrochenen Raupen theils die erfoderliche Nahrung finden, theils vor den ihnen nachtheiligen Einflüssen der Witterung einigermaßen geschützt sind. Hinsichtlich ihrer Größe, die zwischen einer Linie und fünf Zoll Länge bei verhältnißmäßiger Dicke wechselt, sind die Raupen ebenso verschieden, wie in Bezug auf die übrige Bildung und Färbung. Ihr halbrundlicher Leib hat zwölf Ringel, ist theils nackt, theils mit Haaren besetzt und höckerig und trägt mitunter auf dem letzten Ringe ein Horn oder einen andern Auswuchs. Der harte, hornartige Kopf hat zwei kegelförmige, kurze Fühler und an jeder Seite sechs glänzende Punkte, vermeintliche Augen. Zu beiden Seiten der neun hintern Ringe befinden sich ebenso viele Luftlöcher, deren Verstopfung die Raupen tödtet. An den drei vordersten Leibesringen hat jede drei Paar hornartige Füße, welche denen des künftigen Schmetterlings entsprechen; dazu kommen an den hintern Ringen noch 1–5 Paar häutige, sogenannte Bauchfüße. Nachdem sich die Raupen wiederholt und meist vier Mal gehäutet haben, gehen sie in den Puppenzustand über, was bei manchen innerhalb einiger Wochen, bei andern nach längerer Zeit und z.B. bei der Weidenraupe nach drei Jahren erst erfolgt. Zur Nahrung dienen den Raupen die Blätter von Bäumen, Sträuchern, Gemüsepflanzen und auch des Grases, sowie die Nadeln der Harzbäume; doch hält sich jede Art vorzugsweise zu der einen oder andern besondern Kost. Wo sie in einiger Menge vorhanden sind, ist der Schade außerordentlich, welchen sie durch ihre Gefräßigkeit anrichten, indem manche den Tag über an Gewicht dreimal so viel verzehren, als sie schwer sind. Ganze Waldungen werden zuweilen durch Raupenfraß entlaubt, was vorzüglich dem Nadelholz schädlich ist, weil demselben die Fähigkeit abgeht, sich gleich dem Laubholze von Neuem zu belauben, daher es abstirbt und so schnell wie möglich geschlagen und zu Brennholz verbraucht werden muß, indem es als Bauholz bald von Würmern zerfressen wird und nur kurze Zeit dauert. Nähere Belehrung über die den Obstgärten, Kraut- und andern Gemüsefeldern und den Waldungen gefährlichsten Raupen und Anweisung zu ihrer Vertilgung geben Hempel's »Abhülfsbüchlein der Raupennoth« (2. Aufl., mit Kpfrn., Lpz. 1839) und Gebhardt, »Die schädlichen Feld-, Wald- und Obstbaum-Insekten« (Hanov. 1834). – Um der Vermehrung der Raupen besonders in den Forsten zu begegnen, hat man in neuester Zeit die Pflege und Vermehrung der Schlupfwespen und ähnlicher Insekten ins Auge gefaßt, welche ihre [631] Eier in und an die Raupen und ihre Puppen legen, die von den auskriechenden Maden derselben nachher getödtet werden. Man hat zu dem Ende sogenannte Raupenzwinger in den von Raupenfraß befallenen oder bedrohten Waldungen angelegt, worunter mehre, 100–200 ! F große, von 2 F tiefen und breiten an der äußern Seite senkrecht ausgestochenen Graben umgebene Abtheilungen zu verstehen sind. Der Boden derselben wird umgepflügt und was von Raupen in ihrem aufgesuchten Winterversteck gefunden wird, dahin gebracht und mit Moos bedeckt. Im Frühjahr werden die aus der Erstarrung erwachenden mit frischen Zweigen zur Nahrung versorgt bis zu ihrer Verpuppung, während ihre Feinde sich in ungeheurer Menge an diesen Orten einfinden und auf deren Kosten so vermehren, daß sie in einiger Zeit zahlreicher als die Raupen eines ganzen Bezirks sind und diese daher aller Orten aufsuchen und vertilgen. Die im Raupenzwinger gebildeten Puppen werden in kleine Gruben geworfen und diese oben mit einem Drathnetz bedeckt, welches wol den daraus sich noch entwickelnden Schlupfwespen und Fliegen den Ausweg gestattet, allein keineswegs den etwa zum Auskriechen kommenden Schmetterlingen. Würde man aber die gesammelten Raupen tödten, so würden die zahlreich darin enthaltenen Eier und Maden ihrer natürlichen Feinde ebenfalls vernichtet und deren Vermehrung gehemmt anstatt befördert werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 631-632.
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