Stoss

[309] Stoss findet statt, wenn ein bewegter Körper einem andern ruhenden oder gleichfalls bewegten Körper begegnet, wodurch dann die Geschwindigkeit und Richtung des bewegten Körpers eine Änderung erleidet. Diese Änderung selbst erfolgt je nach den Verhältnissen, unter welchen der Stoß erfolgte, nach bestimmten Gesetzen, deren Erforschung ein Gegenstand der Mechanik ist. Bei Bestimmung der Gesetze des Stoßes nimmt man auf die Schwere, auf Reibung und dergl. keine Rücksicht. Wenn die Linie, in welcher sich der Mittelpunkt der Masse des stoßenden Körpers bewegt, auch durch den Mittelpunkt der Masse des gestoßenen Körpers geht, so nennt man den Stoß central, ist dies nicht der Fall, so heißt er excentrisch. Ist die Richtung der Bewegung senkrecht auf der Berührungsfläche der sich stoßenden Körper, so heißt der Stoß gerade, wenn dies nicht der Fall ist, schief. Man nimmt bei Bestimmung der Gesetze des Stoßes zunächst noch an, daß alle Punkte der bewegten Körper sich in gleichlaufenden Richtungen bewegen, daß also die Bewegung nicht durch Umdrehung des bewegten Körpers um eine Achse geschieht. Bei dieser letzten Art von Bewegung wird die Erscheinung beiweitem verwickelter für die Erklärung. Die Gesetze des Stoßes sind verschieden, je nachdem die aufeinander treffenden Körper elastisch oder unelastisch sind. Wenn zwei unelastische Körper mit gleicher Gewalt sich gegeneinander bewegen und gerade aneinander stoßen, so ruhen sie nach dem Stoße. Ist aber die stoßende Masse größer als die gestoßene bei gleicher Gewalt beider, so bewegt sich letztere nach der Richtung der erstern nach dem Stoße fort, aber mit einer Geschwindigkeit, welche nach dem Verhältniß der Massen verringert ist. Wenn sich vor dem Stoße die kleinere Masse in derselben Richtung vor der größern nachbewegt, diese aber mit größerer Geschwindigkeit hinter ihr kommt, so bewegen sich beide Massen nach dem Stoße in derselben Richtung fort, aber nur die kleinere Masse mit vermehrter, die größere mit verminderter Geschwindigkeit. Besonderes Interesse haben die Gesetze des Stoßes bei elastischen Körpern. Diese Körper nämlich geben einander beim Stoße ebenso viel Bewegungsmoment zurück, als der eine durch den andern gewonnen oder verloren hat. Bewegen sich zwei vollkommen elastische Körper von gleicher Masse in derselben Richtung, der zweite mit größerer Geschwindigkeit als der erste, so gehen sie nach dem Zusammentreffen in derselben Richtung, aber nun der erste mit der frühern Geschwindigkeit des zweiten, der zweite mit der frühern Geschwindigkeit des ersten fort. Hätte daher der erste Körper geruht, während der zweite gegen ihn sich bewegte, so wird nach dem Stoße der erste sich mit der Geschwindigkeit und in der Richtung des zweiten fortbewegen (vorausgesetzt, daß der Stoß gerade war), während der zweite zur Ruhe kommt. Wenn zwei an Masse gleiche elastische Körper mit ungleicher Geschwindigkeit einander sich gerade entgegen bewegen, so kehrt nach dem Stoße jeder der beiden Körper in entgegengesetzter Richtung mit der Geschwindigkeit des andern zurück. Wenn ein unelastischer harter Körper gegen ein unbewegliches elastisches Hinderniß oder ein elastischer Körper gegen ein unbewegliches und unelastisches Hinderniß anstößt, so wird er von demselben mit derselben Geschwindigkeit zurückspringen, mit welcher er anprallte; dabei wird er unter denselben Winkel zurückgeworfen, unter welchem er gegen das Hinderniß ankam. Man hat in den [309] physikalischen Cabinetten eigne Instrumente, sogenannte Percussionsmaschinen, mit welchen man die Richtung der Gesetze des Stoßes durch Beispiele darthut, aber freilich nur annäherungsweise, weil es in der Wirklichkeit weder vollkommen harte noch vollkommen elastische Körper gibt. Eines der interessantesten Spiele, das Billardspiel, beruht ganz auf den Gesetzen des Stoßes, wie sie bei dem Anstoßen stark elastischer Körper (der elfenbeinernen Kugeln) aneinander und an ein Hinderniß (die Bande) auftreten. Durch die immer nicht vollkommene Elasticität der Bälle, durch die Reibung derselben an dem Tuche und durch die aus dieser folgende Umdrehung der Bälle wird aber auch beim Billardspiel das Auftreten der Gesetze des Stoßes in deren Vollkommenheit gestört.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 309-310.
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