Thränen

[422] Thränen heißt die wasserhelle, milde, durchsichtige und geruchlose Flüssigkeit, welche von den oberhalb des Augapfels gelegenen Thränendrüsen abgesondert, aus den 6–7 Mündungen dieser in den zwischen den Augenlidern und der Oberfläche des Augapfels befindlichen Raum ergossen wird, zur Reinigung und zum Schutze des Auges gegen die Rauhigkeit der Luft dient, dasselbe klar und durchsichtig erhält und nicht nur die Bewegungen dieses, sondern auch die der Augenlider erleichtert, zuletzt aber von den am innern Augenwinkel befindlichen Thränenpunkten aufgesogen und durch die Thränenröhrchen in den Thränensack geführt wird, von wo sie in die Nasenhöhle gelangt, aus der sie entweder mit dem Nasenschleime nach außen abfließt oder, wenn sie durch die hintern Mündungen der Nasenhöhle sich ergießt, verschluckt wird. Im gewöhnlichen, ruhigen, ungereizten Zustande des Auges ist die Menge der abgesonderten Thränenflüssigkeit sehr unbedeutend, jedoch hinreichend, um das Auge feucht zu erhalten, dagegen kann sie durch Reizung des Auges und Gemüthsbewegungen, besonders trauriger Art, beträchtlich vermehrt werden, wo sie dann über die Augenlider sich ergießt und die Wangen herabrinnt. Bei Eintritt von mancherlei Augenkrankheiten werden die Thränen nicht nur ihrer Menge nach, sondern auch in ihren Mischungsverhältnissen verändert und nehmen dann nicht selten fremdartige Bestandtheile in sich auf, was entweder schon in den Thränendrüsen oder erst auf dem Augapfel geschieht, zuweilen werden sie dann scharf, reizend und fast siedend heiß, färben sich wol auch röthlich, indem sie sich auf der Oberfläche des Augapfels mit Blutwasser und Blut vermischen u.s.w. Thränenfistel heißt die Krankheit, welche entsteht, wenn der Übergang der Thränen aus dem Auge in die Nase durch Verstopfung oder Verwachsung des Thränenkanals verhindert ist. Die Thränen fließen dann ohne Unterbrechung über die Wangen herab, sammeln sich in dem Thränensacke an, dehnen diesen aus, werden hier in ihrer Mischung verändert und verursachen zuletzt eine gewöhnlich mit Eiterung endende und selbst die Knochen angreifende Entzündung desselben. Dieses Leiden erfodert, um den Abfluß der Thränen in die Nase wieder möglich zu machen, die künstliche Anlegung eines neuen Kanals mittels einer Operation.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 422.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika