Leben

[31] Leben, der Inbegriff aller derjenigen Erscheinungen, die an gewissen Körpern (Organismen) infolge eines beständigen Wechsels der sie aufbauenden Stoffe beobachtet werden; das wesentliche für das L. ist demnach der Stoffwechsel. Das L. ist gebunden an die Zellen, die sich zu den verschiedenartigen Geweben und Körperteilen von eigentümlichem Bau (Organen) zusammensetzen (organisieren), wodurch schon bezüglich der Gestaltung ein Unterschied zwischen lebenden und leblosen Körpern gegeben ist. Ein weiterer ergibt sich durch die chem. Zusammensetzung der organischen Körper. Sie bestehen aus verschiedenen Grundbestandteilen (darunter namentlich Eiweißstoffe), die wiederum aus drei, vier und mehr Elementarstoffen zusammengesetzt sind und außerhalb des Körpers oder nach dessen Tode durch äußere Einwirkungen in die einfachern Verbindungen zerlegt werden, aus denen die leblosen Körper gebildet sind. Auch während des L. unterliegen sie einer beständigen Umwandlung, indem sie die für den Organismus unbrauchbaren Teile (in den Sekreten und Exkreten) verlieren und brauchbare wieder (aus dem Blute) empfangen. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit unterscheiden sich die lebenden Körper dadurch von den leblosen, daß sie die Anregung zu Umänderungen in sich selbst besitzen (Selbsttätigkeit, Spontaneität), sich durch eigene Organe bewegen (Ortsbewegung, Säfteumlauf), ernähren, wachsen, fortpflanzen, einen eigenen Wärmegrad besitzen, gewisse Lebensstufen durchlaufen und endlich sterben und verwesen. – Man teilt das individuelle oder organische L. ein in folgende Hauptformen: 1) Keim-L. (latentes L.), an den Samen und Eiern zu beobachten, die längere Zeit hindurch den äußern Einflüssen Widerstand leisten. 2) Pflanzliches (vegetatives) L., bestehend in Wachstum, Ernährung, Absonderung und Fortpflanzung, ohne deutlich nachweisbare Empfindung und Bewegung. 3) Tierisches (animalisches) L., mit Empfindung, Bewegung, Willen und Denken, welche Eigentümlichkeiten in der Regel durch ein Nervensystem im Körper des Tieres vermittelt werden. 4) Psychisches L. (des menschlichen Organismus), das durch die Tätigkeiten des Gedächtnisses, der Phantasie und der durch die Sprache sich kundgebenden Vernunft ausgezeichnet ist. Endlich spricht man 5) vom geistigen L., dem L. der menschlichen Gesellschaft. Die Lehre vom L. heißt Physiologie oder Biologie. Über die Lebensdauer s.d. – Vgl. Moleschott (5. Aufl. 1875-87), Bilharz (1902), Neumeister (1903), König (2. Aufl. 1905), Fließ (1906).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 31.
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