Reichsgericht

[508] Reichsgericht, höchster Gerichtshof des Deutschen Reichs mit Sitz in Leipzig (seit 1. Okt. 1879). Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877 (§§ 125-141) werden der Präsident, die Senatspräsidenten und Räte auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt; die Zahl der Zivil- und Strafsenate (1906: 7 und 4) bestimmt der Reichskanzler. Zuständig ist das R. 1) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über die Rechtsmittel der Revision und der Beschwerde gegen Endurteile und Entscheidungen der Oberlandesgerichte; 2) in Strafsachen, wo die staatsanwaltlichen Funktionen (s. Staatsanwaltschaft) durch einen Oberreichsanwalt und durch mehrere Reichsanwälte wahrgenommen werden, als erste und letzte Instanz bei Hoch- und Landesverrat gegen Kaiser und Reich und für die Entscheidung über die Revision gegen die Urteile der Landgerichte (soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist) und der Schwurgerichte; 3) in der Berufung gegen Entscheidungen des Patentamtes im Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücknahme eines Patents; 4) in Streitfragen zwischen Senat und Bürgerschaft von Hamburg. Der Präsident und fünf Mitglieder des R. fungieren zugleich im Disziplinarhofe. Der Präsident und drei Mitglieder gehören dem Ehrengerichtshofe für Rechtsanwälte an. – Vgl. »Entscheidungen des R.« (1880 fg.); Bolze, »Praxis des R. in Zivilsachen« (1886 fg.), Henrici (1886).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 508.
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