Alexandra Feodorowna

[135] Alexandra Feodorowna, Kaiserin von Rußland, vormals Charlotte Friederike Louise Wilhelmine, königliche Prinzessin von Preußen. – Selten nur knüpft in den höchsten Ständen Neigung des Herzens die Bande der Ehe, da es ein altes gewohntes und meistentheils auch nothwendiges Herkommen ist, daß fürstliche Paare von der Politik zusammengeführt werden. Hier aber, auf einem der mächtigsten Throne Europa's, ist Liebe der leuchtende Juwel, der heller strahlt als die Kronen, welche das erhabene Herrscherpaar schmücken. Die Kaiserin Alexandra Feodorowna[135] wurde den 13. Juli 1798 geboren. Die echte Humanität ihrer edlen Eltern, so wie die Einfachheit, mit der sie weit mehr ihrem häuslichen Glück als dem Prunk lebten, zu welchem sie ihr Rang ermächtigte, wehte wie ein alles Gute belebender Hauch durch die harmlose Kindheit der Prinzessin, und bildete die Grundlage ihrer sorgsam geleiteten Erziehung. Doch schon in ihrem zwölften Jahre lernte sie die Bitterkeit des Lebens und den düsteren Ernst seiner Bedingungen kennen, indem sie nach Hohenzieritz, an das Sterbebett ihrer Mutter, der Königin Louise berufen ward. Tiefe und unauslöschliche Eindrücke brachte sie von dieser Stätte des Schmerzes mit zurück, und es währte lange, ehe der jugendliche Frohsinn die stille Wehmuth ihrer Stimmung überwand. Schon in früher Jugend sah der jetzige Kaiser von Rußland, als, damals dem Throne noch fern stehender, Großfürst Nikolaus, bei seinen öfteren Reisen nach Deutschland die zarte Blüthe weiblicher Anmuth in der Prinzessin Charlotte sich entfalten, auf welche die Grazie und herzgewinnende Lieblichkeit der in dem Gedächtniß ihres Volkes unsterblichen Königin von Preußen, als mütterliches Erbtheil übergegangen war. Aus der unbefangenen Bekanntschaft, die mit Wohlwollen und freimüthigem Anerkennen ihres gegenseitigen Werthes begann, wurde Neigung, und diese verstärkte sich zu einer Liebe, deren edler Ursprung und stilles aber tiefes Fortschreiten eine stete Fortdauer, selbst über das Grab hinaus, verbürgt. In ihrem achtzehnten Jahre vermählte sich die Prinzessin mit dem Großfürsten, und genoß acht Jahre lang die glückliche Unabhängigkeit eines fürstlichen Privatlebens, bis nach dem Tode des Kaisers Alexander, das Testament desselben den Großfürsten Nikolaus auf den Thron rief. Die Umstände, unter welchen er denselben bestieg, bewährten vor ganz Europa den Heldenmuth und die energische Festigkeit seines Charakters, so wie die Geisteskraft und die fromme Ergebung seiner Gemahlin. Denn kühn, wie der Gott des Kriegs, dem Himmel und seiner gerechten Sache vertrauend, trat er unter[136] die Empörer, die ihm sein Recht streitig machen wollten, und die sein Blick wie ein elektrischer Schlag erschütterte. Indessen lag die Kaiserin, die nicht versucht hatte, ihn von der Erfüllung seiner Herrscherpflicht zurück zu halten, mit welcher namenlosen Angst sie ihn auch diesen Gefahren entgegen gehen sah, auf ihren Knieen, für einen guten Ausgang der verzweiflungsvoll scheinenden Sache zu beten. Und siehe! ihr frommes Flehen ward erhört. Des Kaisers kräftiger Wille, sein Muth und seine Gegenwart des Geistes hatte die aufrührerische Menge bezwungen, und die Flamme des Verraths erstickt. Wohlbehalten kehrte er in den Kreis der Seinigen zurück, und sein Thron schwankte nicht mehr. – So verschieden nun auch sein jetziger Wirkungskreis, als Regent eines unermeßlichen Reiches, vor dem war, den das häusliche Leben ihm früher in beglückter Stille bot, so hatte diese mächtige Umgestaltung des Schicksals dennoch keinen Einfluß auf das innige Einverständniß und die zärtliche Liebe dieses wahrhaft musterhaften Ehepaars Denn was sonst die Großen der Erde bei allem Glanz der Hoheit und des Ueberflusses in der Regel entbehren müssen, häusliches Glück, blieb ihnen treu und hat sich so rein bewährt, daß sie mit Zuversicht hoffen dürfen, es werde bis an das Ende ihrer Tage dauern. Eine zahlreiche Nachkommenschaft umringt, wie ein blühender Kranz, die noch immer in jugendlicher Schöne prangenden Eltern, und wird durch das Beispiel derselben, sowie durch das Bemühen der trefflichsten Lehrer, auf eine Weise erzogen und gebildet, daß sie dereinst der Segen der Menschheit zu wurden verspricht.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 135-137.
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