Dampfwagen

[71] Dampfwagen Bald nach Erfindung der Dampfmaschine gerieth man auf den Gedanken, dieselbe beweglich zu machen, und sie auf diese Weise zum Getriebe eines Wagens zu benutzen, doch war das ungeheure Gewicht der Maschine und ihre im Verhältniß dazu, geringe Kraft der Ausführung im Wege, denn eine solche vermochte kaum den Wagen, auf dem sie stand, zu bewegen, und ob man auch Maschinen baute, welche sechzig Pferde ersetzten, so wurden sie doch gerade dadurch immer weniger brauchbar, weil sie immer schwerer wurden – der große Herd, der gewaltige Kessel, dessen Wasser immer hin und her schwankte, der breite Cylinder – Alles hinderte den Fortgang dieses Unternehmens – bis man die [71] Dampfmaschinen mit hohem Druck erfand, welche auf einen ganz kleinen Raum zusammengedrängt, bei geringem Gewicht, bei geringem Verbrauch an Brennmaterial, und noch geringerem an Wasser, eine bewundernswürdige Stärke haben. Die Kunst besteht hauptsächlich darin, Wasser zu einem ungewöhnlich hohen Grade, weit über den Siedepunkt, zu erhitzen, und nun einen Theil desselben in einen leeren Cylinder treten zu lassen, woselbst sich dieses in Dampf auflöst, und so, auf die gewöhnliche Art die Dampfmaschine in Bewegung setzt. Diesem Princip zu Folge hat man jetzt in England, Frankreich und Amerika Dampfwagen, welche auf Eisenbahnen und guten Chausseen fahren, an ihrem Hintertheil sind die gewöhnlichen Wagen zum Transport von Reisenden, von Thieren oder Waarenballen angehängt, andere sehen ungeheuern Kutschen ähnlich; in und auf ihnen sitzen die Passagiere, vorn der Kutscher, welcher mittelst einer Handkurbel den Wagen lenkt, und von unsichtbarer Kraft getrieben, eilt derselbe durch die volkreichsten Straßen, ohne Gefahr für die Zuschauer dahin, eine völlige Umwandlung aller Weltverhältnisse versprechend und vorbereitend, denn mit Vogelschnelligkeit, zwei deutsche Meilen in einer Stunde – (vier Wegstunden in einer Zeitstunde) läuft er daher, alle Entfernungen auf den vierten Theil zusammenziehend, wie es die Dampfboote auf dem Meere thun. – Wahrscheinlich wird sich diese nützliche Erfindung bald auch über Deutschland verbreiten, wozu die Eisenbahn in Böhmen, und die zwischen Belgien und Preußen die erste Gelegenheit bieten dürfte, wie denn auch Preußen bereits Sachverständige nach London geschickt hat, um die Brauchbarkeit der Chausseedampfwagen zu untersuchen.

V.

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Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 71-72.
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