David, Jacob Louis (Maler)

[88] David, Jacob Louis (Maler), Jakob Louis, ein ausgezeichneter französischer Maler, dessen Talent, unterstützt durch einen glühenden Eifer für die Kunst, ihm schon in früher Jugend die Bahn des Ruhmes[88] aufschloß, auf der er, bewundert und geehrt, in Ruhe und Wohlhabenheit das Ziel seines Lebens hätte erreichen können, wenn nicht die Revolution im Jahre 1789 ihn aus dem beglückten künstlerischen Frieden, in dem er wandelte, aufgescheucht, auf eine gefährliche Weise exaltirt, und auf Abwege geleitet hätte, deren unverzeihliches Betreten er späterhin durch eine lebenslängliche Verbannung von dem geliebten, vaterländischen Boden büßte. Er wurde im Jahr 1756 in Paris geboren, und hing, wie die meisten Pariser, mit ganzer Seele an seiner Vaterstadt. Doch fand er in dem Geräusch derselben keine Nahrung für das ernste Studium seiner Kunst, das sich für das Heroische der Geschichtsmalerei entschied. Er ging daher schon in seinem 18. Jahre nach Rom, wo die Gaben, welche ihm die Natur verliehen, sich mit Riesenschritten entwickelten, und wo er sich, während eines mehrjährigen Aufenthalts, eine Achtung und Bewunderung erwarb, wie sie die Selbstsucht der Italiener nur selten einem ausländischen Künstler gezollt hatte. Sehnsucht nach der Heimath führte ihn nach Paris zurück, wo er gefeiert und geehrt viele Bestellungen erhielt, aber alle zurückwies, um seine ganze Zeit einem Gemälde, der Schwur der Horatier, von Ludwig XVI. bestellt, zu widmen. Er ging zu diesem Endzwecke wieder nach Rom, um unter den großartigen Einflüssen des künstlerischen Lebens dort ein Werk zu beginnen, das ihm unter den Störungen des lärmenden Paris nicht möglich gewesen wäre. Noch nicht 30 Jahre alt war der Künstler, als diese Arbeit, welche der allgemeine Beifall für ein Meisterwerk erklärte, seinen Ruf auf das Glänzendste begründete. Auch als Portraitmaler begann er sich so ungemein auszuzeichnen, daß man mit den schmeichelhaftesten Bitten und den größten Summen um die Ehre warb, von ihm gemalt zu werden. So würde er sich in der Fülle seiner Kraft ein bedeutendes Vermögen erworben haben, wenn nicht der Freiheitsschwindel, der wie ein böser Dämon aus der Untiefe der damals aufgährenden Revolution emporstieg, auch ihn berauscht, und[89] zu der ausschweifendsten Parteiwuth und Leidenschaftlichkeit hingerissen hätte. Zu jener Zeit entstand sein Brutus. Er nahm thätigen Antheil an allen den Verschuldungen, mit denen sich die damalige Zeit in Frankreich befleckte, so wie er späterhin seinen Namen für alle Zeiten dadurch brandmarkte, daß er für den Tod Ludwig's XVI. stimmte. Von ihm gingen die meisten Entwürfe zu den zahlreichen Denkmälern jener zügellosen Entartung, die meisten Vorschläge zu den frevelhaften republikanischen Festen aus, durch welche die mit schönen Phrasen prunkende Volksstimmung sich selbst entweihte. Im Jahr 1792 ward er Wähler von Paris, bald darauf Deputirter bei'm Nationalconvent – doch, was ihm zum schwersten Vorwurf gereicht – während der Schreckensregierung, die sich in Blut badete, trat er als einer der wüthendsten Jakobiner auf, und trug schamlos eine blinde Anhänglichkeit an Robespierre, und die Billigung der von ihm ausgehenden Grausamkeiten zur Schau. Derselbe Pinsel, welcher früher edle und große Momente in der Geschichte aufgefaßt und für Mit- und Nachwelt fest gehalten hatte, beschäftigte sich jetzt nur mit Scenen aus der Revolution. So entstanden: die Ermordung von Pelletier und von Marat, so der Schwur im Ballhause, und Ludwig's Eintritt am 4. Februar in die Nationalversammlung, welches letztere er dem gesetzgebenden Corps verehrte. Im Januar 1794 präsidirte er selbst im Convent; doch das blutige Schicksal, das er Vielen bereitete, drohte, ihn selbst zu erfassen. Nach Robespierre's Fall war er in großer Gefahr, und nur die allgemeine Anerkennung, die er als Künstler gefunden hatte, und die ihn zum ersten Meister der französischen Schule erhob, rettete ihn vom Schaffott. Das wüste Treiben der damaligen Vorgänge entfremdete ihn eine Zeitlang seinen künstlerischen Beschäftigungen, bis im Jahr 1799 sein langsam entstandener Sabinerraub erschien, den er mehrere Jahre für ein bestimmtes Eintrittsgeld der öffentlichen Beschauung überließ, wodurch er sich bedeutende Summen erwarb. Nach der Revolution[90] widmete er sich mit verdoppeltem Eifer der Kunst, und fand an Napoleon einen Beschützer, der sein Talent zu würdigen und zu benutzen verstand. Er malte diesen als Consul, an der Spitze seiner Truppen den Bernhard besteigend, und außerdem noch vier große Gemälde, welche die wichtigsten Momente in dessen Regierung verewigen sollten. Napoleon ernannte ihn zu seinem ersten Maler, verlieh ihm den Orden der Ehrenlegion, und mehrere andere Auszeichnungen, und blieb ihm gewogen, bis die Herstellung der bourbon'schen Dynastie ihn der Macht beraubte, ihm ferner wohl zu thun. Von jetzt an trat die lange schlummernde Nemesis auf, die Schuld zu rächen, mit welcher er seine Vergangenheit beladen hatte. Das Decret, das Alle, welche für den Tod König Ludwig's XVI. gestimmt hatten, als Regiciden (Königsmörder) für immer aus Frankreich verwies, traf auch ihn, und weder sein Talent, noch sein vieljährig begründeter Ruhm als Künstler vermochten ihn zu schützen. Mit dem tiefsten Schmerz mußte er Paris verlassen, zu dem bis an den letzten Augenblick seines Lebens eine nie zu stillende Sehnsucht ihn hinzog, und alle Versuche, durch mächtige Fürbitten unterstützt, waren umsonst, ihm – sei es auch in weiter Ferne von der Hauptstadt, doch wenigstens innerhalb der Grenzen seines Vaterlandes ein ruhiges Asyl für sein beginnendes Alter zu erflehen. Von den Qualen des Heimweh's, vielleicht auch von den Vorwürfen seines Gewissens gefoltert, verlebte er den Rest seiner Tage in Brüssel, wo nur der Tod ihn von den Leiden der Verbannung befreite.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 88-91.
Lizenz:
Faksimiles:
88 | 89 | 90 | 91
Kategorien: