Moral

[284] Moral, Sitten-, Pflichten-, Tugendlehre. Empfindung, Begehren und Denken sind die drei Grundbedingungen des menschlichen Lebens. Der Mensch ist mithin fortwährend abhängig von Gefühlen, Neigungen und Ueberlegen. Alle drei Kräfte haben gleichstarke Macht über ihn, aber höchst unähnlich sind die Folgen, welche ihre Einwirkungen auf ihn hervorbringen. Mächtig reizt die Begierde, seine Neigungen zu befriedigen. Lieblich schmeichelt die Sehnsucht, seinen Gefühlen Raum zu geben. Aber ernst warnt die Vernunft. Dadurch entsteht ein fortwährender Kampf im innern Leben des Menschen, zwischen seiner sinnlichen und geistigen Natur. Diesen Kampf aufzuheben, muß das Verhältniß aufgesucht werden, in welchem jene Kräfte zu einander und zu den Handlungen des Menschen stehen. Dieß ist die Aufgabe der Moralphilosophie. Sie entwickelt aus der Vernunft die Gesetze, nach welchen der Mensch, in Beziehung auf seine geistige Bestimmung, sein Bestreben und Handeln einrichten soll. Das Handeln ist Folge des Wollens, d. h. des durch die Vernunft bestimmten freien Begehrens. Die Moralphilosophie muß alle Gründe des Handelns untersuchen und ausmitteln, und außer allen Zweifel setzen, um die Moral aufstellen zu können. Diese besteht nun in den Gesetzen der Vernunft, nach welchen der Mensch sein freies Handeln einzurichten hat. Nach der Moral nun, welche ursprünglich in jedem Menschen liegt, aber freilich noch unentwickelt schlummert, ist der Mensch als moralisches, d. h. als ein solches Wesen zu beurtheilen, welches den freien Willen hat, bei seinem Handeln die Vernunftgesetze zu befolgen oder nicht zu befolgen. Im ersteren Falle[284] ist er moralisch gut, tugendhaft, im letzteren moralisch böse, lasterhaft.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 284-285.
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