Niagara

[429] Niagara. Amerika, dieß Riesenkind der Schöpfung, das Land der Naturwunder, birgt in seinem Innern auch den größten Wasserfall der Welt. Dieser wird von dem nur 6 deutsche M. langen Niagarastrome gebildet, welcher den Erie mit dem Ontariosee verbindet und die Grenze zwischen Kanada und New-York bildet. Eine Meile oberhalb des Falles, wo der Niagarastrom ¾ engl. M. breit ist, wird er durch die Grand- und Karyinseln in zwei Arme getheilt; der Katarakt selbst bildet einen Halbzirkel und stürzt, in zwei Abtheilungen durch die Geißinsel getrennt, 164 F. tief herab. Die amerikanische Hälfte ist 1000 F. breit, theilt sich wieder in 2 Hälften, welche durch Brücken verbunden sind, dagegen die kanadische Hälfte zwar kleiner, aber weit imposanter erscheint. Tausende von Fremden und Amerikanern kommen jährlich hierher, um dieses großartige Schauspiel anzustaunen, und es dürfte in der That kaum in der Welt einen Anblick geben, der mit diesem großen Weltgemälde zu vergleichen wäre. Das dumpfe, entsetzliche Brausen der Wogen, der Strom mit seiner zerstörenden Kraft und seinem bergenden Schoße, die senkrecht und rauh ausgebrochenen Felsenrände, welche den Katarakt 2–300 F. überragen, die Baume, welche über dem obern Saum der Klippen ihre Häupter wiegen, und die von unten gesehen, wie Zwerge erscheinen, dieß Alles macht einen Eindruck, der sich unmöglich mit Worten schildern läßt. Auf beiden Seiten des Falles sind hölzerne Treppen vom Ufer hinabgebaut, auf welchen selbst die nervenschwächsten und furchtsamsten[429] Personen ohne Gefahr bis zu seinem Fuße hinabsteigen können. Einige Reisende wollen das Toben der stürzenden Wasser in einer Entfernung von 45 M. gehört haben.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 429-430.
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