Niagāra

[871] Niagāra (spr. Neiaggara), 1) (N. River), Abfluß des Eriesees in den Ontariosee, zwischen Canada u. dem Staate New York, also ein Theil des Lorenzostroms; 71 Meile lang, hat steile, mit ansehnlichen Ebenen umgebene Ufer; für Schiffe von 100 Tonnen fahrbar; macht 32/3 M. vor seiner Mündung einen großen Wasserfall (Niagarafall), den großartigsten Wasserfall der Erde. Er wird durch die Insel Grand Island in zwei Arme u. kurz vor dem Fall durch die Inseln Goat Island u. Iris Island in drei Theile getheilt u. macht hier eine Biegung, so daß die Linie eines Falles von einem Ufer zum andern eine schräge Richtung bekommt; der westliche (auf canadischer Seite fließende) Arm bildet den Hufeisenfall (Horse shoe fall), mit der größten Wassermenge, 142 Fuß hoch, 1897 Fuß breit u. eine weit sichtbare Dampfsäule bildend), der zweite den kleinern Fall (15 Fuß breit, 162 Fuß hoch) u. der dritte den Forthkatarakt (Forth-Schlosher-Fall, gegen 1050 Fuß breit, wie jener 162 Fuß hoch), zusammen 4000 Fuß breit, mit einer Wassermasse von 672,000 Tonnen. Das Geräusch des Falles hört man bei ruhigem Wetter über 6 Meilen weit. Die eine Insel ist jetzt mit dem Festlande durch eine Brücke verbunden, wodurch, so wie durch andere getroffene Anstalten, Reisenden der Anblick des Niagarafall erleichtert wird; ebenso führt seit 1848 ungefähr eine Stunde vor dem Fall eine Brücke (Suspension Bridge) u. eine zweite gerade über dem Fall seit 1855 über den Strom zur Verbindung des Eisenbahnnetzes von Canada u. New York. Die durch die Katarakten unterbrochene Schifffahrt wird durch den auf canadischer Seite angelegten Wellandkanal hergestellt. Der Niagarafall zeigt das Phänomen des Zurückschreitens, indem er nämlich das feste Kalksteingebirge, über welches er sich ergießt, allmälig auswäscht, zugleich aber die leicht zerstörbare Schicht von Thonschiefer, welche in der Tiefe des Falles ruht, zertrümmert, wodurch die darauf ruhenden Kalkschichten unterwaschen werden u. nachstürzen. So stürzte ein Theil des Tafelfelsens auf der canadischen Seite 1818 u. 1841 ein. Auf diese Weise wird der Niagarafall einerseits niedriger (vor 1841 war er 160 Fnß hoch), andererseits rückt er den Eriesee fortwährend näher, seit 50 Jahren jährlich um vier Fuß, so daß der Fall, der früher bei Leviston gewesen sein soll, jetzt 11/2 Meile aufwärts gerückt u. vom Erie noch vier Meilen entfernt ist. Hiernach steht dem Erie der Durchbruch der Schwelle u. das Verschwinden des Falles bevor. Der Eintritt dieses Ereignisses ist nach 30–40,000 Jahren berechnet worden; eine plötzliche Katastrophe ist nicht zu befürchten, da der nur bis 120 Fuß tiefe Boden des Erie sich nur ganz allmälig gegen die Abflußschwelle erhebt. Die Sitte den Niagarafall zu besuchen, besteht erst seit 1786. 2) District in der Provinz Ober- od. West-Canada (Britisches Nordamerika), eine Halbinsel zwischen dem Erie- u. Ontario See bildend, vom Ouse River durchflossen; im Süden sumpfig, im Übrigen fruchtbar u. durch sein mildes Klima ausgezeichnet, welches sich selbst zum Weinbau eignet; Producte: Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Kartoffeln, Hülsenfrüchte; Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine; Industrie in Wolle, Baumwolle, Lein, Leder u. Eisen; der Welland Canal u. mehre Eisenbahnen durchschneiden den District; 56,000 Ew.; 3) (Fort George, früher Newark), Hauptort darin, an der Mündung des Niagara River in den Ontariosee u. unweit der Mündung des Wellandkanals; guter Hafen, 5 Kirchen, Districtsschule, Schiffsbau, Dampfmaschinenwerkstätten; 4000 Ew. N. wurde im Dec. 1813 von der New Yorker Miliz eingenommen u. theilweis niedergebrannt; 4) Grafschaft im Staate New York; 22 QM.; an den Niagara River u. den Ontariosee grenzend, von den Willinks- u. Tuscaroro Creeks durchflossen; Producte: Mais, Weizen, Hafer, Rindvieh; Industrie in Baumwolle, Wolle, Eisen u. Leder; der Eriekanal, die Rochester-Lockport-Niagarafallsbahn u. die Buffalo-Niagarafallsbahn durchschneiden die Grafschaft; 1808 organisirt, aus einem Theil der Grafschaft Genesee gebildet; 1850: 42,276 Ew.; Hauptstadt: Lockport.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 871.
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