Pyrmont

[317] Pyrmont, einer der berühmtesten und besuchtesten deutschen Badeorte, liegt im Fürstenthum Waldeck in einem schönen Thale an der Emmer, umgeben von reich bewachsenen Höhen. Das alte Badehaus mit 140 geschmackvoll möblirten Zimmern, das neue mit 11 Marmorbädern, das neue Kaffehaus mit guten Zimmern, das Ball- und Schauspielhaus, der Maskeraden- und kleine Ballsaal sind Zierden des Ortes, in dessen Bürgerhäusern außerdem bequeme Wohnungen für Badegäste sind. Eine herrliche schattige Allee, von jenen Hauptgebäuden und Läden für Kaufleute eingefaßt, führt zum Trinkbrunnen, der ein starkes salinisches Eisenwasser gibt. Außerdem sind noch der Bredelbrunnen, Augenbrunnen, kleine Badebrunnen, Säuerling, mineralische Salzbrunnen, Neubrunnen und die Salzquelle vorhanden, die Wasser von verschiedener Mischung geben. Die Trinkquelle ist reich an kohlensaurem Gas, das in Perlen aufsteigt, berauscht flüchtig, ist hell und schmeckt weinsäuerlich, scharf und tintenhaft, reizt, erhitzt, vermehrt die Bewegung und die rothen Theile des Blutes, stärkt und wirkt zusammenziehend. Am wirksamsten ist es nach chronischen und hitzigen Krankheiten, großer Anstrengung der Seelen- und Körperkräfte, häufigen Wochenbetten, Säfteverlusten etc. Daher finden Kranke, die an Fehlern der weiblichen Function, Neigung zu Fehlgeburten, Hypochondrie, Hysterie, Magenkrampf, Migraine, Brustkrämpfen, nervösem Schwindel, Nervenschwäche, Lähmungen, Schwerverdaulichkeit, Schleimsucht etc. leiden, hier Hilfe. Um den Bade- oder Bredelbrunnen setzen sich Kranke mit Gicht, Geschwulst und Steifigkeit der Glieder, wozu auch die Dunsthöhle, eine der Hundsgrotte bei Neapel ähnliche Naturerscheinung, benutzt wird. Man trinkt von Viertelstunde zu Viertelstunde ein Glas, und manche steigern dieß bis zu 16. Zuweilen muß man es wärmen, oder auch die Luft verflüchtigen lassen. Das Baden[317] bedarf gewisser Vorsicht, besonders mit heißem Wasser. Lauwarm ist es am dienlichsten, kalt am stärkendsten. Für Traufbad, Douchen und ähnliche Apparate ist gesorgt. Das Leben ist heiter, großartig, und auch für weniger Vermögende eingerichtet. Außer der 500 Schritt langen großen Allee ist eine nach dem Bosquet, eine andere nach der Schloßbrücke führend. Das Schloß hat einige schöne Gemälde und eine herrliche Aussicht. Der nach Friedrich dem Großen genannte Königsberg, das Fürstenhaus, die Hünenburg, die Quäkerkolonie Friedensthal, der Bomberg mit schöner Aussicht, der Schellenberg mit den Ruinen von Schell-Pyrmont, die Erdfälle, Holzhausen, Löwenhausen und Thal mit den Klippen, einer interessanten Kalkfelsenpartie, Lüdge mit dem ehemaligen Franciscanerkloster, der von Karl dem Großen erbauten Kreuzkirche, wo Moritz, der letzte Graf von Pyrmont, mit Schild und Helm neben seiner Gattin begraben liegt, und die Reste der Hermannsburg, wo der Cherusker gewohnt haben soll und wobei Toren to Mayen, Klevethurm, der Schutthaufen eines Denkmals liegt, das Germanikus seinem erschlagenen Bruder errichtete, sind einige Hauptpunkte zu Excursionen.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 317-318.
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