Sibylla von Anjou

[234] Sibylla von Anjou. Die Krone der geheiligten Stadt, in der einst der göttliche Königssohn wandelte und lehrte, um die Blicke der Völker emporzuheben zur unvergänglichen Krone des Himmels, wurde bekanntlich in Folge der Kreuzzüge auf lange Zeit das Strebziel unwürdigen Ehrgeizes. Auch Sibylla, die Tochter Almarich's von Anjou, Königs von Jerusalem, ließ sich durch die Stimme der Herrschsucht aus des Weibes wahrem Herrscherkreise, dem Heerde der Häuslichkeit, herauslocken auf den Kampfplan der Wirren, wo nur selten die Tugenden sich einen, um die wahre Frauenkrone edler Weiblichkeit zu weben. Nachdem sie von dem Grafen Wilhelm von Montserrat, der bald darauf starb, den König Balduin V. von Jerusalem geboren, vermählte sie sich in zweiter Ehe mit Guido von Lusignan. Dieser ließ der Sage nach ihren eigenen Sohn vergiften, worauf es S. durch List gelang, ihrem Gemahle die Krone zu verschaffen. Bald aber erschien mit ehernem Fuße die Nemesis: Guido, von Saladin geschlagen, mußte sein[234] Reich 1187 von den Saracenen erobert sehen; S. aber flüchtete mit ihren Töchtern nach Akre, wo sie in der Eroberung dieser Stadt zugleich mit ihnen umkam; – sicher, um in einem andern Lande nun mit geläutertem Sinne den Pfad nach dem hochgebauten Jerusalem zu suchen..

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 234-235.
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