Thränen

[121] Thränen. Der Himmel hat seine Sterne; das Meer hat seine Perlen; doch die liebende und leidende Menschheit hat ihre Thränen. Verständnißinnig küssen sich die verwandten Seelen, und die sanftgerötheten Wangen benetzt eine Zähre frommer Eintracht. Zärtlich sinkt die Geliebte dem Jünglinge ihrer Wahl in die Arme, und was ihr Mund, was ihr Auge nicht verkündigt, das sagt ihm die silberne Thräne. Was machte einen Helden wanken und eine Welt untergehen? Nur die schüchterne Thräne in Kleopatra's schönen Augen! Und wenn das Herz fast brechen will unter der Einsamkeit des nahenden Alters, wenn all' das liebende Geleite verstummt ist, was so fröhlich den Jugendpfad umschwärmte, – wo ist der letzte liebende Gast, der treu ausharrt bei der Leidenden, geschmückt mit dem silbernen Schleier der ewigen Jugend?... Die einsame Thräne! – Jene Feuchtigkeit, welche wir T. nennen, wird in den beiden Thränendrüsen, der obern und untern, bereitet: erstere liegt an dem obern und äußern Winkel der Augenhöhle; die untere, zum Theil von der obern bedeckt, auf dem Knorpel des obern Augenlides. Beide gehen in kleine, an der hintern Oberfläche des obern Augenlides befindliche Mündungen aus, denen die Thränen entfließen und sich von hier, mit Hilfe der Bewegung der Augenlider, über[121] den zwischen den Augenlidern und dem Augapfel befindlichen Raum verbreiten. Um aber von dem Auge die zu große Feuchtigkeit wieder abzuleiten, ergießen sich die T., wenn sie in sehr großer Menge vorhanden sind, über die Augenlider und Wangen herab, oder werden im gewöhnlichen Maße im innern Augenwinkel von den an beiden Augenlidern befindlichen Thränenpunkten, den Mündungen der Thränenröhrchen, aufgesaugt, durch letztere in den Thränensack, einen rundlichen Behälter in der Thränengrube der Augenhöhle, geleitet, und von hier durch den sogenannten Thränenkanal unter der untern Nasenmuschel in die Schleimhaut der Nase übergeführt. Wird das Heruntersteigen der T. aus dem Auge in die Nase durch irgend etwas gehindert, so entzündet sich und eitert die über dem Thränensacke befindliche Haut, oft auch letzterer selbst. Durch eine eigne Operation muß dann diese Krankheit, die sogenannte Thränenfistal, gehoben und der Thränenableitung ein neuer künstlicher Kanal eröffnet werden.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 121-122.
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