Altruismus

[30] Altruismus (von alter, der andere): Gegensatz zum Egoismus (s. d.), zur Selbstsucht, bedeutet Uneigennützigkeit, Denken an und Handeln für anderer Wohl, Selbstaufopferung im Sinne des Christentums. Auch SENECA erklärt: »alteri vivas oportet, si vis tibi vivere« (Ep. 48, 2; vgl. 60, 4). Der Terminus »Altruismus« stammt von COMTE, der im Altruismus die Bedingung aller Cultur und Sittlichkeit erblickt. Den Altruismus als ethisches Princip vertreten in verschiedener Weise CUMBERLAND, SHAFTESBURY, HUTCHESON, BUTLER, PALEY, HUME, A. SMITH, LEIBNIZ, CHR. WOLF u. a. H. SPENCER nennt altruistisch jede Handlung, »welche im normalen Verlauf der Dinge anderen Nutzen schafft statt dem Handelnden selbst« (Pr. of moral. § 76). Der Altruismus ist ebenso ursprünglich wie der Egoismus (ib.). Übertriebener Altruismus ist schädlich (l.c. § 73 f.). Nach LIPPS ist Altruismus »das Abzielen auf Verwirklichung fremder Güter, d.h. auf Verwirklichung solcher sachlicher Werte, d.h. anderen Befriedigunggewähren« (Eth. Gr. S. 11). Der Altruismus ist etwas Ursprüngliches, er beruht auf natürlicher Sympathie, auf der inneren Einheit meiner selbst mit fremden Persönlichkeiten, von denen ich weiß (l.c. S. 15 ff., 23). Nach SIMMEL ist der Altruismus ein vererbter Instinct (Einl. in d. Mor. I, 92), er ist »Gruppenegoismus« (I, 113, wie IHERING). Nach O. AMMON entspringen[30] die altruistischen (socialen) Triebe dem Schutztriebe (Gesellschaftsordn. S. 67). P. RÉE erklärt: »Nachdem der Instinct, die Nachkommenschaft zu lieben, durch Auslese und Vererbung seine Stärke erlangt hatte, zweigte sich von ihm durch Ideenverknüpfung der Nächstenliebeinstinct ab« (Philos. S. 14). A. MEINONG nennt ein Begehren altruistisch, »wenn dabei das Wohl des andern als solches entscheidend ist« (Werttheor. S. 99); es ist »selbstisch-altruistisch« (z.B. Familienliebe) oder »unselbstisch-altruistisch« (allgemeine Menschenliebe) (l.c. S. 103). Nach WUNDT ist der Altruismus erst im Dienste der Idee sittlicher Entwicklung sittlich (s. d.). H. CORNELUS betont: »nur die Rücksicht auf das dauernd Wertvolle, nicht aber die Rücksicht auf die einzelnen Gefühlserlebnisse darf für unser Handeln ausschlaggebend sein« (Einl. in die Phil. S. 351 f.). Ein Gegner des schwächlichen Altruismus ist NIETZSCHE. Vgl. Ethik, Sittlichkeit, Sympathie, Social.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 30-31.
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