Becher, Erich

[51] Becher, Erich, Prof. in Münster. = B. vertritt einen kritischen Realismus und verteidigt die mechanische (bezw. die »kinetische«) Physik gegen die rein phänomenologische und energetische Theorie. Die Entwicklung der modernen Physik (Elektronentheorie u. a.) hat die Berechtigung der mechanistischen Naturauffassung aufs neue dargetan: auch wenn man Hypothesen wie die des Äthers unterläßt, bleibt die Gültigkeit jener bestehen. Die Hypothese einer realen Außenwelt, welche durch die Regelmäßigkeit des Geschehens gefordert ist, bewährt sich durchaus, sie hat einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Die Wirksamkeit ist das Merkzeichen der nicht in meinem Bewußtsein gegebenen Existenzen. Die Raumvorstellung mag subjektiv sein, die Zeit aber ist objektiv. Jedenfalls aber müssen Raum und Zeit irgend eine objektive Grundlage haben. Körper sind »raumerfüllende Qualitäten«. Es sind das Qualitäten, die mit denen der Sinneswahrnehmung nicht identisch sind, sondern die realen Korrelate derselben bilden. Substanzen sind Komplexe beharrender Qualitäten. Für die kinetische (mechanische) Naturauffassung sprechen verschiedene Motive, sie ist eine der Erfahrung entnommene Hypothese, aber auch mitbedingt durch das Wesen unseres Erkennens. – Die Gültigkeit des Prinzips der Erhaltung der Energie auch für die Organismen zeigt B. an der Hand der Versuche von Rubner, Atwater u. a.

Die Ethik begründet B. im Sinne eines wohlverstandenen »Utilitarismus« (Eudämonismus). »Das Streben nach Glücksverwirklichung schlechthin erscheint als das Seinsollende. Das erreichbare Maximum von Glück der Gesamtheit aller fühlenden Wesen zu erringen, ist die tiefste Forderung unseres vernünftigen Gewissens.« Höchstes Willensziel ist das selige Leben.

SCHRIFTEN: Erkenntnistheoret. Untersuchungen zu St. Mills Theorie der Kausalität, 1906. – Philos. Voraussetz. d. exakten Naturwissenschaft, 1907. – Die Grundfrage d. Ethik, 1908. – Zeitschr. f. Psychol. Bd. 45-16 (über Erhaltung der Energie und Parallelismus). – Der Darwinismus u. die soziale Ethik, 1909.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 51.
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